Der planmäßigen, alle gesellschaftlichen Kräfte lähmenden Aufteilung Polens durch Preußen, Russland und Österreich zwischen 1795 und 1918 ging bekanntlich eine Aufbruchzeit voraus, die auch in den Künsten eine wiedergewonnene Unabhängigkeit spiegelte. Ähnlich früh wie in den anderen europäischen Staaten begünstigte diese Entwicklung im Zuge der zunehmenden Kritik an feudalen Verhältnissen die Ausprägung eines bürgerlichen Selbstverständnisses und im selben Zuge die Entstehung des Nationalgedankens. Dieser fand seinen Ausdruck in vielfach komponierten Hymnen – nur mussten diese nicht zwangsläufig (bildungs)bürgerlichen Ursprungs sein: In Polen schuf der Aristokrat und Politiker Michał Kleofas Ogiński zum Ende des 18. Jahrhunderts hin nationale Gesänge und Tänze aus der Landestradition.

Graf Ogiński wurde 1765 im litauischen Guzów geboren und wurde 1793 – etliche Jahre nach der zweiten polnischen Teilung – staatlicher Großschatzmeister, musste aber im Zuge des Kościuszko-Aufstandes 1794 zurücktreten und floh. Aus dieser Erfahrung resultierte seine populär gebliebene Polonaise Abschied vom Vaterland (Pożegnanie Ojczyzny). Seine Memoiren, die in Paris 1826 erschienen, vermitteln tiefe Einblicke in die Umbruchszeit zwischen 1794 und 1798, als Polen wiederum seiner Unabhängigkeit beraubt wurde. Michał Ogiński starb 1833 in Florenz an einer Krankheit, nachdem zwei Jahre zuvor sein Notenbuch mit mehr als 60 Werken ediert worden war.

Bis heute ist weniger bekannt über einen anderen wichtigen Wegbereiter der nationalen Unabhängigkeit Polens auf dem Gebiet der Operndramatik, Wojciech Bogusławski (1757 – 1829), der später auch das Theater in Kalisz leitete. Er verfasste die Libretti zu Bühnenwerken Joseph Elsners, aber auch zu der Oper Glück im Unglück (1778) des in Wien ausgebildeten Komponisten Maciej Kamieński und zu Stefanis Das vermeintliche Wunder oder Die Krakauer und die Goralen (1794). Jan Stefani (1747 – 1829) selbst hatte lange Zeit in Prag gewirkt, kehrte aber später wieder nach Polen zurück, wo er in Warschau seine Laufbahn als Kapellmeister fortsetzen konnte; auf ihn gehen zahlreiche Bläserpartiten, Polonaisen, aber auch kirchenmusikalische Werke, Messen und Oratorien in den Zeiten des nationalen Umbruchs zurück.
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