Komponisten haben das romantisch-elegisch tönende Instrument aus der Oboenfamilie in führender oder Solo-Rolle quer durch seine Entwicklungsgeschichte wenig beachtet. Dem Autor fallen spontan auch nur zwei prominente Beispiele eines solchen Einsatzes aus dem Repertoire ein: der Allegretto-Satz als zehnter von Enrique Granados‘ Zwölf Spanischen Tänzen für Gitarre und Orchester und natürlich die berühmte Largo-Introduktion zu Longfellows „Hiawatha-Song“ im zweiten Satz von Antonín Dvořáks 9. Symphonie aus der Neuen Welt. Dabei hat das spärlich bedachte Englisch Horn einen wunderbar variablen Klangcharakter: von leichtem Schweben und Verspieltheit reicht sein Ausdrucksgehalt bis zur melancholisch-edlen Elegie.

Es handelt sich beim cor anglais um eine in F gestimmte Tenoroboe, deren Notation im Violinschlüssel eine Quinte höher erfolgt als sie klingt. Der manchmal als etwas roh, der späteren Klarinette ähnlich empfundene Ton dieses Schalmeien-Nachfolgers ging in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wohl aus der Oboe da caccia hervor, die eine ähnliche Tonlage aufweist. Bis 1820 wurde sie wenig verwendet, weil der Klang tatsächlich etlichen Ensembles, Orchestern und Tonsetzern nicht recht behagte. Bis dahin war das Englisch Horn bogenförmig gekrümmt und aus zwei lederbezogenen Hälften zusammengebaut. Die Pariser Instrumentenbauer Triébert und Brod verpassten ihm dann die gerade, mit Klappenmechanik versehene Form der Oboe, allerdings mit abgebogenem Mundstückteil, längerer Röhre und dem so genannten Liebesfuß, den es schon vorher von den Oboenverwandten unterschied.

Wie sieht es insgesamt mit der Literatur für das Instrument aus, das ja im großen Symphonieorchester durchaus seinen Platz behauptet hat? Antonio Salieri, Konkurrent Mozarts, gebrauchte es mehrfach exponiert, unter anderem früh in La Grotta di Trofonio, seit seiner Formänderung Hector Berlioz in Le Carnaval Romain, Gioachino Rossini in seiner Oper Wilhelm Tell und Verdi in Ein Maskenball. Donizetti schließlich komponierte ein Concertino für Englischhorn und kleines Orchester, Felix Draeseke die kammermusikalische Kleine Suite für Englischhorn und Klavier.

Antonio Pasculli kombinierte die elegische Stimme des Orchesters mit der Harfe in seiner Hommage an Bellini. Zu erwähnen wäre aus dem 20. Jahrhundert auch Aaron Coplands Quiet City für Englisch Horn, Trompete und Streicher. Kammermusik von Pasculli, Giovanni Daelli und Carlo Yvan gibt es ganz aktuell auf der CD Music for Cor Anglais mit Martin Frutiger, Englisch Horn, Petya Mihneva, Klavier und Sarah Verrue, Harfe zu hören (ASIN: B00JDATYCI).
Schreibe einen Kommentar