Frequenzspektrum von Folklore bis Experiment

Das nunmehr 24. Rudolstädter Weltmusik- und Tanzfestival vom 3. bis 6. Juli stand dieses Jahr besonders unter dem Eindruck der afrikanischen Sänger und Tänzerensembles, im Mittelpunkt diesmal Tansania, das mit mehreren Beiträgen auf großen Bühnen im Park und am Markt vertreten war. Neben den für europäische Ohren recht ungewohnten Klängen erzielte auch die Farbenpracht der Festgewänder in der Ufuno Muheme Group große Wirkung. Ein Pfeifkonzert nach dem Riesenapplaus war am Ende schon nötig, um die Akteure am Samstag nochmals auf die Konzertbühne im Heinepark herauszulocken.

Das Janusz Prusinowski Trio mit stimmstarkem ersten Sänger vor dem Auftritt (5. Juli 2014, H.-P. Mederer)
Das Janusz Prusinowski Trio mit stimmstarkem ersten Sänger vor dem Auftritt (5. Juli 2014, H.-P. Mederer)

Einige der vielen Festivalbesucher aus ganz Deutschland, Österreich und von viel weiter her, die nicht zum ersten Mal da waren, lassen sich einfach treiben, ohne mit strategisch ausgearbeitetem Besuchsplan zwischen den Stationen hin- und herzulaufen. Das riesige Angebot lenkt sowieso enorm ab, so dass es häufig besser ist, zu schlendern und einfach einmal für eine halbe bis ganze Stunde bei einem der Ensembles stehen zu bleiben und sich hineinzuhören. Etwa in den groovigen und entspannten Sound der New-Orleans-Formation Dizzy Birds Jazz Band, die bizarr genug nicht nur aus sechs Musikern von jeweils völlig verschiedenen Ländern inklusive Madagaskar und Dänemark besteht sondern auch LindyHop und Cajunklänge aus dem Geigenkasten und Megaphon zaubert. Einige Gruppierungen überraschten hingegen durch fast avantgardistische, eher experimentell klingende Stücke.

Überhaupt ist der Austausch mit dem Publikum bei den Straßenbands eigentlich am intensivsten, was zu häufigen Zugaben führt, so auch bei den stilwendigen Wienern, die vor den Toren der Innenstadt Zuhörer anzogen und selten wieder freigaben. Dass echte Folklore aus der Hohen Tatra die überwiegend deutschsprachigen Gäste konnte, war dem Janusz Prusinowski Trio zu verdanken, das auch mit einer echten singenden Bäuerin aus den Bergen oberhalb von Zakopane punktete. Die zwischen Chromatik und Pentatonik schweifende Harmonik klingt – ist man nicht daran gewöhnt – exotisch, auch wenn polnische Besucher nach eigener Aussage eben lediglich „Folklore“ ohne Profilierung hin  zu World Music vernehmen konnten. Die Bühne auf der Burgterrasse war für das um Tanzpaare ergänzte Trio und seine eher kammermusikalische Aufführung fast ein wenig groß.

We Banjo 3 auf dem 24. Roots Folk Festival Rudolstadt (Carstor)
We Banjo 3 auf dem 24. Roots Folk Festival Rudolstadt (Carstor)

Weniger überzeugend erschienen dagegen manche groß angekündigten und prämierten Konzerte auf anderen größeren Bühnen, etwa im eher weniger geeigneten stark hallenden Schlosshof der Heidecksburg – und manche Band konnte allenfalls Twen-Publikum begeistern, so Judith Holofernes & Band mit sozialkritischem deutsch gesungenem Indie-Pop. Eine heimliche Nr. 1 war alleine schon den klassischen technischen Fertigkeiten nach das österreichische Septett Federspiel, das luftige Blasmusikklänge in herzhafte Atmosphäre zu verpacken wusste. Die Band vermittelte den Eindruck vom morgendlichen Fensteröffnen in einen großen englischen Park, aus dem die Rufe verschiedener Vögel ertönen … Gut, dass Federspiel auf der Marktbühne auch mit der besten Akustik aller Festivalplätze rechnen durfte, ebenso wie die ungarische Zigeunerfamilie Parno Graszt mit ihrem mitreißenden, nicht zufällig manches Mal an spanischen Flamenco erinnernden Auftritt dort für Beifallsstürme sorgte und etliche Zugaben nachlieferte. Der Samstag mit seinem passenden langen Sommersonnenuntergang wird noch lange in erfrischender Erinnerung bleiben.

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