Schlagwort: Mendelssohn

  • Gegen den Strich zu bürsten?

    Auch Interpretationsmoden kommen und gehen. Wurde früher die (vermeintliche) „Eigenart“ eines Werks überbetont, frisiert frau/man heute gerne gegen den Strich, bei süffigen sanglichen Melodien wird der Sopran zurückgeschraubt, bei bombastischer Akkordik das Fortissimo minimiert und polyphone Strukturen hörbar gemacht, im Falle ohrenfällig schwerfälliger Diktion das Tempo beschleunigt. Vielleicht sollten öfter einmal die anderen Seiten einer Komposition…

  • Post-its bis Ostern

    Zur besten Abendstartzeit feiern am 3. März im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie die Barocksolisten ihr 20jähriges Jubiläum, und zwar zusammen mit Emanuel Pahud, Albrecht Mayer und Reinhold Friedrich. Zu drei chartverdächtigen Bach-Hits gesellen sich dem Solistendreigestirn entsprechend Vivaldi mit einem Flötenkonzert, Torelli mit einem für Trompete und Benedetto Marcello mit dem Oboenkonzert in d-Moll hinzu.…

  • Mendelssohns Gestik nachgespürt

    Ein reines Programm aus deutschsprachigen Landen mag zwar manchem Konzertbesucher nicht gerade abwechslungsreich erscheinen, doch wurden dabei gestern am Theater Erfurt konträre Akzente gesetzt: die genial ausgeklügelte Zitat- und Allusionsküche Mahlers im zweiten Teil gegen vor allem für den Solopianisten „undankbare“, da technisch komplexe Orchesterwerke von Mozart und Mendelssohn. Eben das 1. Klavierkonzert in g-Moll op.…

  • Leonidas Kavakos‘ Kreuzfahrten

    Einen Volltreffer landete der 1967 in Athen geborene Geiger, Dirigent und Paganini-Preisträger Leonidas Kavakos erst kürzlich zusammen mit der Pianistin Yuja Wang, indem er für das Label Decca die Violinsonaten von Johannes Brahms einspielte. Eine von mehreren Violinen, die Kavakos derzeit spielt, kam hier zum Einsatz – sei es die Abergavenny-Stradivari aus dem Jahr 1724 oder…

  • Wiederentdeckt

    Nachdem in Bremen vor zwei Jahren Johannes Brahms‘ verschollen geglaubte Frühfassung seines dem Anlass nach eher fragwürdigen Triumphliedes entdeckt wurde, sind in den vergangenen Jahren zahlreiche politisch weniger problematische Funde ans Ohr der Öffentlichkeit gedrungen: Bärbel Pelker, Musikwissenschaftlerin an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, konnte 2012 mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Weimarer Originalmanuskript als Anton Schweizers Oper Rosamunde, uraufgeführt im…

  • Geburtsstunde der norwegischen Romantik

    Mit einer gewissen Verzögerung setzte in Norwegen die Entwicklung der romantischen Musik ein. Eine sonst übliche öffentliche Förderung von Komponisten gab es hier im hohen Norden Europas lange Zeit nicht, da kein eigener Königshof existierte, von dem aus die Entfaltung eines breiteren Musiklebens möglich gewesen wäre; vielmehr hing es wesentlich vom Engagement der Organisten, Kantoren und Stadtmusikanten ab,…

  • Nur physisch in der Fremde?

    Als Sergej Rachmaninow in Skandinavien 1918 eine längere Konzertreise antrat, war er sich bewusst, dass er im übrigen Europa wegen des Kriegs keine Chance zu weiteren Auftritten hatte. So musste ihm das Angebot aus den Vereinigten Staaten, mit dem damals schon renommierten Bostoner Symphonieorchester zusammenzuarbeiten, durchaus begehrenswert erschienen sein. Beinahe überwog aber die Skepsis, denn die Aussicht darauf,…

  • International erfolgreich auch ohne feste Leitung: Das OAE

    Nach dem legendären English Concert, das von 1972 bis 2007 von dem Cembalisten und Organisten Trevor Pinnock geleitet wurde, musiziert als zweites Londoner Orchester  mit Originalinstrumenten die 1986 gegründete Formation Orchestra of the Age of Enlightenment. Der Name ist Programm und die Diskographie des Orchester umfasst bereits mehr als fünfzig Aufnahmen von der Musik Henry Purcells über…

  • Dinorá de Carvalho

    Chiquinha Gonzaga gilt zwar als erste Komponistin, die eine emanzipatorische Wende in der Musik ihres Landes vollzogen hat, doch als erste Frau offiziell wurde eine Schülerin des ungarischen Pianisten und Klavierpädagogen Isidor Philipp, nämlich Dinorá de Carvalho (1905 – 1980), in den Kreis der Academia Brasileira de musica aufgenommen. Zunächst war de Carvalho als Klavierschülerin – im Alter…

  • „Die Voraussetzung aller Musik ist Stille.“

    Während einer Pianissimo-Passage in einem seiner Konzerte soll Alfred Brendel sein Spiel unterbrochen haben, um auf die Voraussetzung aller Musik in der Stille zu verweisen, denn das permanente Husten und Rascheln im Publikum war ihm bei konzentriertem Spiel zunehmend lästig gefallen. Was aber, wenn die ersehnte Stille sich im musikalischen Werk selbst ereignet? Und umgekehrt: Was ertönt,…