Viel Applaus für Klarinette und Komposition

Wieder einmal bewährte sich am Donnerstagabend im Großen Haus des Theaters Erfurt das Konzept, dem Publikum eine halbe Stunde vor Konzertbeginn eine kleine Einführung in die Werke zu geben. Das Anspielen charakteristischer Momente verdeutlichte die Erläuterungen darüber hinaus. Samuel Bächlis Kombination aus einem bekannten mit hier noch nie oder sehr selten gehörtem Repertoire sorgte wiederum – dank der Abwechslung – für Neugier und die gebührende Aufmerksamkeit: Zum 4. Sinfoniekonzert waren im Parkett nur noch wenige freie Plätze zu entdecken…

Soloklarinettist des Philharmonischen Orchesters Erfurt: Jens Kaiser, der am 23. Januar 2014 mit Mozarts Klarinettenkonzert brillierte (L. Edelhoff).
Soloklarinettist des Philharmonischen Orchesters Erfurt: Jens Kaiser, der am 23. Januar 2014 mit Mozarts Klarinettenkonzert brillierte (L. Edelhoff).

Schon der Beginn brachte für manchen Besucher Neues, da die Kompositionen Anton Franz Josef Eberls (1765 – 1807) in den deutschen Konzertprogrammen nicht häufig vertreten sind. Der in Wien geborene Pianist war zunächst Schüler Mozarts, weshalb diesem wohl einige Variationswerke Eberls fälschlich zugeschrieben wurden, kam auf Konzertreisen durch den deutschsprachigen Raum auch nach St. Petersburg, wo er sich länger aufhielt und residierte dann wieder in seiner Heimatstadt. Was häufig Schülern großer Künstler passierte: Im Schatten Mozarts wurde Eberls Werk gerne als epigonal abgetan. Die Erfurter Aufführung seiner d-Moll-Symphonie op. 34 konnte dies aber widerlegen: In der Übergangszone zwischen Klassik und Romantik ist Überraschendes zu hören, eine für die idealtypisch so bezeichnete Wiener Klassik nicht mehr konforme Melodik, überraschende Zäsuren und Brüche, und dennoch schaffte es GMD Samuel Bächli das Werk als Einheit vorzustellen, bei gleichzeitig höchstmöglicher transparenter Ausführung durch die einzelnen Instrumentengruppen, insbesondere im langsamen Satz.

Die für die Entstehungszeit typische Expressivität des Sturm und Drang erschien dafür etwas zurückgenommen, die heitere Seite der Symphonie hervorgehoben, die dynamischen Schattierungen in den schnellen Ecksätzen eher moderat gehalten. Eberls Faktur des Finales wirkt zwar etwas zusammengestückt, doch ließ Samuel Bächlis Dirigat durch den vorwärtstreibenden Duktus die Zusammenhänge durchhörbar werden. Mit spürbarer Musizierfreude, technischer Finesse und hohem Ausdrucksvermögen bot anschließend der an der Weimarer Musikhochschule ausgebildete Solist Jens Kaiser Mozarts Klarinettenkonzert dar. In einem solch klassisch präzisen und gleichzeitig munter fließenden Format ist das Konzert wirklich selten zu hören, dafür gebührte sowohl dem Orchester als auch dem Solisten nicht endenwollender Beifall, der auch bei der dritten Rückkehr auf die Bühne nur allmählich abklang.

In Alois Bröders Vingt Moments kommt auch die Tuba zum Einsatz (o.A.)
In Alois Bröders Vingt Moments kommt auch die Tuba zum Einsatz (o.A.)

Die anschließende Pause war als Zäsur sinnvoll, denn mit den teils avantgardistisch orientierten Vingt Moments des Darmstädters Alois Bröder (geb. 1961) erwartete die Zuhörer ein Kontrastprogramm. Die mit deutschen Satzbezeichnungen versehenen Miniaturen reihen sich nach dem Prinzip des schroffen Farben-, Tempo- und Dynamikwechsels aneinander. Mitgezählt hat wohl niemand, denn nach dem offenen Schlussklang mussten die Musiker die Instrumente ablegen, um anzuzeigen, dass alle zwanzig Teile gespielt worden waren … Insbesondere die harmonische Faktur erinnerte an amerikanische symphonische Musik nach George Gershwin, etwa an Bernstein oder noch mehr Piston, wobei die Wahl der zusätzlichen Instrumente, die gestopfte Tuba, Flügel, Harfe, Celesta und Blechschlagwerk diesen Eindruck verstärkten. Der Komponist war anwesend und kam beim Applaus sogar selbst auf die Bühne.

Der als musikalischer Spaß Haydns immer erfolgreiche Trommelwirbel am Anfang von seiner Londoner Es-Dur Symphonie Nr. 103 „mit dem Paukenwirbel“ wurde hier mit ouvertüregemäß starkem Forte und langsamem Ritardando genommen, auch in der Wiederholung. Bächlis Differenzierung der „konzertanten Einheiten“ war hier wieder sehr deutlich spürbar, was vor allem dem Schlusssatz, der ja gewisse Langen enthält, in Verbindung mit einem wichtigeren Zugriff, gut bekam. Der zweite Satz erinnerte in seiner äußerst transparenten Wiedergabe an englische Aufführungen, aber mehr an Gardiners als an Hogwoods Interpretation. Haydns ironische, historisierende Zitation eines Schreittanzes erschien deutlich akzentuiert, was der Symphonie eine zusätzliche vergnügliche Note verlieh. Der Verweis auf Historisches setzt sich in der Symphonie mit den langen Trillern in den Tuttiteilen natürlich fort. Abgesetzt von den sehr deutlich als Forte musizierten Eckpartien waren die mehr in wellenförmigem Bogen und mit ausgefeilter Agogik dargestellten (duett-)solistischen Abschnitte in der ersten, zweiten und dritten Violine. Die prägnant hervorgehobene „stampfende“ Rhythmik in den Kadenzen gab der Symphonie hier auch eine zusätzliche Abrundung. Der Abend sorgte bei den winterlichen Schneeverhältnissen für nachhaltig gute Laune beim Publikum.

 

 

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