Samuel Bächlis Affinität zu Monteverdi setzte sich nach seinem Debüt am Erfurter Dirigentenpult 2007 mit L’Orfeo im Herbst 2013 mit einer ebenso exzellent musizierten wie an Überraschungen reichen Aufführung von dessen Poppea fort. Der in Uppsala geborene Dirigent studierte in Basel Klavier und Dirigieren und schloss sein Dirigentenstudium bei Otmar Suitner an der Wiener Musikhochschule ab. Nach Engagements als Kapellmeister unter anderem am Staatstheater Wiesbaden fungierte er von 2001 bis 2008 als Musikdirektor in Gelsenkirchen.

Als Gastdirigent arbeitete Samuel Bächli, um nur zwei Stationen zu nennen, mit dem Basler Sinfonieorchester, an der Komischen Oper Berlin und an der Oper in Glasgow. In Erfurt kamen zwei Kammeropern aus der eigenen Kompositionswerkstatt unter seinem Taktstock zur Aufführung: Die MeistersingerInnen nach Richard Wagner und Triumph der Liebe nach Marivaux mit Musik von J.S. Bach (2011). Zudem ist Samuel Bächli als Kammermusiker am Klavier gefragt, insbesondere als Klavierbegleiter für das Künstler. Wir fragten ihn zu seinen Intentionen für das Konzert am 14. November (Beginn 19.30 Uhr mit Einführung) mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt.
Herr Generalmusikdirektor Bächli, Sie dirigieren am 14. November um 19.30 Uhr in Erfurt ein Neugier weckendes Programm, in dem wenig Vertrautes oder Vetrautes in anderem Gewand zu hören sein wird. Um den größten Teil des Konzerts mach der Pause vorwegzunehmen: Was hat Sie an Bruckners seltener gespielten 2. Symphonie so fasziniert, dass Sie sie einbezogen haben? Und welche der Fassungen des überaus selbstkritischen Komponisten werden Sie dirigieren?
Samuel Bächli: Die letzte und kürzeste Version. Bruckner war als spätromantischer Komponist unter anderem wegen seines Denkens vom Orgelklang und der charakteristischen Terrassendynamik her weit von allen anderen entfernt. Mir geht es in der Aufführung darum, die Gegensätze in dieser spröden, aber überaus spannenden Musik nicht einzuebnen.
Der zweite Teil Ihres Konzerts ist Beethovens Violinkonzert op. 61 gewidmet. Halten Sie die Adaptation für gelungener als das Original?
S.B.: Beide Versionen sind spannend. Wir werden sie auch beide innerhalb eines Jahrs zu Gehör bringen, Anfang Juni 2014 kommt die Originalfassung mit Mirijam Contzen ins Programm. Gerade wegen der Kadenzen im ersten Satz ist es aber absolut gerechtfertigt, das Konzert mit dem Klavier aufzuführen. Die Ornamentierung klingt darüber hinaus mit diesem Instrument leichter. Mit dem Klavier, mit dem Beethoven immer arbeitete, regelt sich vieles selbst. Das Orchester spielt unter meiner Leitung übrigens genau dieselben Noten wie im Violinkonzert, von der Kadenz abgesehen…
Haben Sie bereits zuvor mit der Solistin des Abends, Aline Bercu, zusammengearbeitet? Worauf gründete sich Ihre Wahl und ist das Beethoven-Konzert Teil des Repertoires, das die international auftretende Pianistin, die auch schwierigste spätromantische Werke spielt, besonders schätzt?
S.B.: Nein, sie spielt das Beethoven-Konzert zum ersten Mal öffentlich. Sie wurde mir von der Musikhochschule Franz Liszt in Weimar empfohlen, und ich habe mit ihr in kleinem Rahmen auch schon zusammengearbeitet, wobei die Zuschauer dort saßen, wo sonst das große Sinfonieorchester platziert ist.
Igor Markevitch, von dem wir ein frühes Orchesterwerk, nämlich Cantique d’amour zu Beginn des Abends hören werden, war ein in Deutschland heute noch nicht so bekannter, aber vielseitiger Komponist des 20. Jahrhunderts mit slawischen und französischen Wurzeln und überwiegend in Italien tätig. War seine Gewandtheit in verschiedenen Gattungen der Grund für Ihre Auswahl?
S.B.: Zunächst, es handelt sich bei seinen Werken nicht um „Kapellmeistermusik“, es ist das Gegenteil von Dirigentenmusik, denn Markevitch komponierte lange bevor er zum ersten Mal öffentlich dirigierte.
Cantique d’amour ist ja ein Orchesterwerk, das in impressionistischen ebenso wie expressiven Farben leuchtet und solistische Partien, zum Beispiel für das Klavier, aber auch die Harfe beinhaltet. Sehen Sie es in Nachbarschaft zu den Stilen Strawinskys, Debussys oder Ravels oder ist es etwas völlig Individuelles? Wie wollen Sie das Stück interpretieren?
S.B.: Jedes Werk ist sehr individuell gearbeitet. Hier handelt es sich um ein frühes Stück mit spätromantischem Impetus. Der Neoklassizismus hat ja eher etwas Ordentliches, hier sind die Strukturen aber nicht so einfach. Es geht mir darum, Markevitch dem Publikum vorzustellen.
War es Ihre Intention, die Zuhörer an Werke heranzuführen, die es nicht in jeder Saison geboten bekommt?
S.B.: Das Publikum soll in unseren Konzertzyklen immer auch ein Werk aus dem 20. Jahrhundert hören, etwas Neues, mit dem es nicht so vertraut ist. In jedem Programm wird natürlich auch etwas aus dem 18. oder 19. Jahrhundert gespielt. Mir liegt aber daran, Dinge zu zeigen, die nicht alltäglich sind. So spielen wir im Januar die d-Moll-Symphonie op. 34 von Anton Eberl, einem heute nahezu unbekannten Schüler und Zeitgenossen Mozarts.
In Ihren Konzerten und Opernaufführungen streben Sie eine deutliche Differenzierung der Instrumentalgruppen im Orchester an, geht es Ihnen besonders um klangliche Transparenz?
S.B.: Ja, ich stehe allerdings nicht für die Idee, alles im Sinne der historischen Aufführungspraxis „richtig“ zu machen. Harnoncourt, bekanntlich ein Verfechter des Originalklangs, sagte ja auch einmal, in der zweiten Hälfte seines Berufslebens sei er von denen angegriffen worden, die eben das wollten. Ich konzentriere mich aber auf meine eigenen Kompetenzen. In der Erfurter Premiere der „Poppea“ sind authentische Instrumente ebenso wie andere moderne Instrumente zum Einsatz gekommen.
Herr Bächli, wir danken Ihnen vielmals für dieses Gespräch!
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