Voradvent

Heterogener konnte das Programm kaum sein: Im komplett renovierten Asam-Saal traten in Freising am Vorabend des ersten Advent 2024, am 30. November, gleich zwei Orchester in Erscheinung: Den Nachwuchs stellte das Jugendorchester ensemble stringendo unter seiner Leiterin Ursula Bongard, mit Mozarts Sinfonie Nr. 4 in D-Dur (KV 19), die der Feder des damals neunjährigen Musikwunders entfloss. Während einer Reise, die ihn nach London führen sollte, entstand dieses Orchesterwerk eines energiegeladenen Kindes, das seinen Altersgenossen sozusagen um Lichtjahre voraus war. Als Wurf eines Heranwachsenden entpuppt sich vor allem der 3. Satz Presto mit seinen schnellen dynamischen Wechsel(bäder)n zwischen piano und forte.

Mozart im Alter von etwa neun Jahren: Gemälde von Eusebius Johann Alphen (1741-72) im Mozart-Museum Salzburg (D p.d.)
Originell: In Hereford wurde Edward Elgar (1857-1934) als Radfahrer gewürdigt (David James, 11.09.2021, CC-Liz.)

Von thematischen Programmen weit entfernt begegnet dem Hörer Edward Elgars wohl bekanntestes Konzert aus dem Jahr 1918, nämlich dasjenige für Violoncello und Orchester in e-Moll op. 85. Allusionen auf Literarisches oder Bildende Kunst wird man hier vergebens suchen, das Orchesterwerk mit seiner elegischen und ebenso virtuosen Solistenstimme ist Musik in Reinform, die keiner Auslegung zu bedürfen scheint. Vielmehr verleiht der Komponist dem Instrument zwischen den Sätzen wechselnde Charaktere von liedhaften Passagen über einen „noblen“ Klang hin zu eruptiven Momenten. Auch das Ende des letzten Satzes scheint gewohnten Strukturen zu widersprechen, indem es keine lange vorbereitete Kadenz bereithält, sondern beinahe abrupt abbricht. So rein wie die Struktur des Konzerts erscheint, so luzide dirigierte Jacob Burzin das Freisinger Symphonieorchester und wurde dabei tatkräftig durch seine erste Konzertmeisterin Darinka Pejakovic unterstützt; den Solopart spielte einfühlsam und ohne einen Anflug spätromantischer Hyperbolik der gerade zwanzigjährige Cellist Daniel Kuen.

Nach der Pause folgte der längere Teil des Abends mit einer Wiederholung der Asam-Sinfonietta vom langjährigen Dirigenten des städtischen Symphonieorchesters Martin Keeser, diesmal vor voll besetztem Haus. Dieses fulminante und in seiner Länge ausladende Orchesterfeuerwerk hält in seiner Satzweise etliche Anspielungen auf slawische Musik tschechischer Provenienz bereit ebenso wie es stürmisch bewegte und klangstarke Phrasen aus nordamerikanischer und britischer Filmmusik zu imitieren scheint. Der motivische Ideenreichtum wird in dem Werk kongenial ergänzt durch raffinierte Harmonien, die im vergangenen Jahrhundert neu waren, in ihrer Wechselhaftigkeit und Vielfalt aber auch das einundzwanzigste verkörpern. Das opulent dimensionierte romantische Symphonieorchester lotete dynamisch und in den Tempi effektvoll die Grenzen solcher Musik aus.

Im neu erglänzenden Freisinger Asam-Saal fand am 30.11.2024 ein ebenso groß dimensionierter wie heterogener Konzertabend statt (Vuxi, 20.07.2024, CC-Liz.)

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