Louise Bertin – im Schatten einer Nachrede

Ihre Opern brachten ihr trotz verbal zugesicherter Unterstützung von Hector Berlioz keine überwältigenden, aber zum Teil bemerkenswerte Erfolge: Bertins in Paris wohlbekannter belgischer Gesangslehrer François-Joseph Fétis, der übrigens als praktisch einziger höher graduierter Lehrer in Brüssel eine wöchentlich stattfindende Kompositionsklasse für Frauen anbot, brachte ihre erste Oper Guy Mannering (1825) nach dem 1815 erschienenen komischen Roman von Walter Scott auf die Bühne.

Louise Bertin (1805 – 1877) schrieb auf derselben Augenhöhe wie ihre männlichen Zeitgenossen Opern; ihrer Musik wird heute die Besonderheit attestiert, dass sie Gedanken über mehr als nur vier Takte entwickelt und sich durch diese Unregelmäßigkeit ihre Musik stark von komponierenden Zeitgenossen unterscheidet (Maler unbekannt, ca. 1860, F p,d,).

Es folgte 1827 mit Le loup-garou („Der Wolfsmensch“) die bühnendramatische Verarbeitung eines weiteren komischen Librettos nach einer Vorlage von Eugène Scribe und Édouard-Joseph-Ennemond Mazères. In der Oper Fausto (1831), zu der sie selbst das Libretto verfasste und Berlioz wegen ihrer angeborenen Lähmung für sie die Proben übernahm, bezog sie sich direkt auf das Drama Goethes, ihre letzte meisterhafte Oper La Esmeralda (1836) bezieht sich direkt auf das Schicksal der Figur einer Zigeunerin in Victor Hugos Notre Dame de Paris.

Eher komische Züge als bedrohliche eignen dem Werwolf in der komischen Oper von Louise Bertin aus dem Jahr 1827.

Louise-Angélique Bertin, gebürtig aus Les Roches, Anwesen in der Gemeinde Bièvre südöstlich von Versailles galt aber als künstlerisches Talent in verschiedenen Bereichen, wodurch es ihr leicht gefallen sein muss, auch in Sachen Musik ein vielseitiges Studium in Angriff zu nehmen. Neben den Opern und den Chorwerken, von denen die Sechs Balladen (1842) zu nennen sind, verfasste sie später, 1842 und 1876, zwei Gedichtbände. Im Bereich instrumentaler Musik trat sie mit nur wenig bekannt gewordenen Werken hervor.

Von 1860 existierte noch eine Étude der Komponistin für die linke Hand, 1875 konnte sie das Trio für Violoncello, Violine und Klavier (op. 10) veröffentlichen, drei Jahre später bereits lagen ihre fünf Kammersinfonien komplett vor, die leider bislang unveröffentlicht blieben und nur von Florence Launay in ihrer Dokumentation Les Compositrices en France au xixe siècle, (Paris, Fayard, 2006) erwähnt, die Louise Bertin leider auch nicht mehr als zehn Seiten Darstellung und Charakterisierung widmet.

Florence Launay beschäftigt sich in ihrer enzyklopädischen Darstellung auf ca. zehn Seiten mit französischen komponierenden Frauen (ISBN 13: ‎978-2213624587).

Es wurde zu Zeiten ihres Opernschaffens behauptet, eigentlich hätte vor allem Hector Berlioz an der Oper La Esmeralda komponiert, was beide zurückwiesen, doch war das Gerücht einmal im Umlauf. Vor allem die letztere Unterstellung war der Anlass oder sollte sie dazu zwingen, sich von der Bühne und dem Komponieren für diese zurückzuziehen.

Literatur u.a.
Antje Olivier, Sevgi Braun: Komponistinnen aus 800 Jahren. Kamen 1996. S. 67f.


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