Poesie in Musik gegossen

Das Königreich Polen hatte zur Zeit der Hochblüte der Renaissance wie eine Handvoll andere Sprachregionen Europas seine universell gebildeten Techniker, Künstler und Dichter. Von letzteren war der Poet und Prosaist Jan Kochanowski einer der bedeutendsten und man darf sich fragen, warum von dessen Werk noch keine aktuelle Gesamtausgabe in deutscher Sprache vorliegt.

Adelswappen des Renaissancedichters Jan Kochanowski (1530 – 1584; Korwin herb szlachecki, 3.3.2010, Tadeusz Gajl, GNU FRee Doc. lic.)

Eine seiner bedeutenden lyrischen Werke geistlicher Provenienz waren die in Krakau 1579 gedruckten Psalter Davids, denen sehr bald nach ihrem Erscheinen musikalische Flügel wuchsen: Kein Geringerer als der „Fistulator“ Mikołaj Gomółka, Spieler diverser Holzblasinstrumente in der königlichen Kapelle des Jagiellonen Sigismund II. August, vertonte sie und es wird vermutet, dass Dichter und Komponist in engem Austausch standen, wenn sie sich nicht sogar räumlich nahe waren. Am Krakauer Hof war Gomółka Schüler von Jan Klaus, der ihm die Stellung vermittelte; zwei Jahre länger als sein Lehrer verblieb Gomółka in der Kapelle, wo er in die Reihe der „italienischen“ Bläser aufstieg.

Er galt als erster Begründer eines polnischen nationalen Musikstils: Mikołaj Gomółka (1535 – ca. 1609).

Fünfzehn weitere Jahre verbrachte Mikołaj Gomółka ab 1563, tätig für Dienstherren ohne Bezug zur Musik, in seiner Heimatstadt Sandomierz. Bischof Myszkowski protegierte den Musiker seit 1578 und vermittelte ihm möglicherweise auch den Kontakt zu Jan Kochanowski. Das Jahr 1590 sieht den Instrumentisten und im übrigen ersten Schöpfer eines spezifisch polnischen Stils am Hof des Kanzlers Jan Zamoyski, der als einer der geschicktesten Regenten und Diplomaten seiner Zeit galt und sich gegen die Herrschaft Sigismund III. stellte.

Titelseite der Vertonung von Kochanowskis ‚Psalter Davids‘ durch Mikołaj Gomółka (Melodiae na Psalterz polski / przez Mikolaia Gomólke vczynione, W Krakowie : w Drukarni Lazarzowey, 1580. Biblioteka Narodowa, SD XVI.Qu.273, PL p.d., US p.d.)

Abgesehen von den Psalmen Davids blieben die anderen Kompositionen Mikołaj Gomółkas bislang in einem Winkel der Musikgeschichte vergraben, auch wenn Forscher wie unter anderem Zdzisław Jachimecki ihm neben Melodiae na psałterz polski wenigstens zwei  Messen und zwei Lieder, wenn auch nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit, als Urheber zuerkannten. Ein wohl idealisierendes Bildnis mit barockem Krauskragen auf Basis eines damals vorhandenen Porträts aufgrund seines Ablebens aus dem Jahr 1888 zeigt Gomółka im Jahr 1609. Große Popularität bis heute erlangte aus den erhaltenen Melodiae etwa Psalm 29.

Literatur u.a.

Węcowski, Jan: Mikołaj Gomółka und sein Werk. In: Polish Music. Bd. 11. 1976, 3. S. 38 – 41.

Tomasz Jasiński: A textless anonymous setting of a psalm of David in the Kražiaj organ tablature. In: Muzyka. Bd. 66. 2021. 3, S. 26 – 56.

 


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