Vorgänger und Kollegen des „amerikanischen Mendelssohn“

Jenseits der im Nordamerika des 19. Jahrhunderts aufkommenden „Monster Concerts“ gab es simultan zu den Vertretern der europäischen spätklassischen Periode durchaus Komponist(inn)en, die nicht nur für symphonische Riesenevents sorgten, sondern verschiedenste Genres pflegten, etwa die Vorgänger des hochprofessionellen Pianisten, Klarinettisten und Dirigenten George Frederick Bristow (1825 – 1898), dessen Name gerne mit dem Etikett eines „amerikanischen Mendelssohn“ versehen wird. Zum Zentrum musikalischer Kreativität und Aufführungspraxis wurde zunehmend Boston, zumal hier, New York ähnlich, die in Scharen zuwandernden, gut ausgebildeten Europäer/innen wichtige Schlüsselstellen als Kapellmeister, Manager und Ausübende in Orchestern besetzen konnten.

Boston wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts neben New York zu einem wichtigen Zentrum klassischer Musikpraxis; hier studierte auch Arthur Foote, dessen Violinkammermusik in Auswahl beim Label New World Records erschien (ASIN: B01KAVG38G, 1995).

Bristows wohl bedeutendster Lehrer in New York war der in Hamburg geborene spätere Leiter der Philharmonischen Gesellschaft der US-Metropole, Henry Christian Timm (1811 – 1892). Dessen Leistungen auf tonschöpferischem Gebiet liegen neben der eher handwerklichen Transkription der Werke anderer für zwei Klaviere, um europäische Komponisten der „Neuen Welt“ näherzubringen, mehrstimmige Lieder, die in Europa wohl eher zur halbfolkloristischen Sparte zählten und eine Große Messe. Eine gewisse Popularität erreichten die Bearbeitungen für zwei Pianisten von Sonatinen Muzio Clementis. Timms „Schule“ als Kontrapunkt-, Harmonielehre- und Orchestrierungsdidaktiker mag gerade diese Praxis in den amerikanischen Musikzentren etabliert haben, denn noch Leopold Godowsky war noch nach der Wende zum 20. Jahrhundert hierin emsig tätig.

Ole Bull zählte neben Paganini und Lipinski zu den großen Geigern Europas, suchte aber sein Glück auch über dem Ozean, wo er u.a. George Frederick Bristow unterrichtete (Foto: Nina Aldin Thune, GNU Free Doc. Lic.).

Im Violinspiel wurde George Frederick Bristow von keinem geringeren als dem skandinavischen Stargeiger Ole Bull (1810 – 1880) unterrichtet. Dieser bereiste zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit einigem Erfolg auf fünf Konzerttourneen die Vereinigten Staaten und hielt sich länger in New York auf. Die Thematik der Landschaften fesselte ihn, woraus unter anderem Niagara, Einsamkeit der Prärie hervorging und dennoch festigte ihn die transatlantische Bemühung um eine noch größere Zuhörerschaft weiter in seinem Gedanken, Norwegen müsse seine eigene Kunstrichtung definieren und in der Praxis verfolgen.

George Whitefield Chadwick (1854 – 1921) war zunächst überwiegend Autodidakt, studierte dann aber in Europa und machte schließlich Karriere als Direktor eines bedeutenden Konservatoriums in der Neuen Welt (nicht später als 1916, US p.d.).

Neben der Konzertpianistin Amy Beach, George Whitefield Chadwick und Arthur Foote leisteten erfolgreiche jüngere Kapazitäten, Arthur Farwell aus Minnesota, der einige Zeit in Berlin studierte, der Yale-Professor Horatio Parker swie der Bratschist und Geiger Charles Martin Loeffler kompositorische Zeitgenossenschaft. Der „Impressionist“ Charles Tomlinson Griffes, der leider 1920 viel zu früh verstarb, gehört bereits zu Bristows Enkelgeneration in Sachen Musik.

Wurzeln amerikanischer Musik

Literatur u.a.
Gilbert Chase: America’s Music: From the Pilgrims to the Present. Ilinois 2000.

 

 


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