Als Regisseur beinahe zum Greifen nah stellte sich Regisseur Hendrik Müller nach dem Schlusstableau der gestrigen Erfurter Theaterpremiere von Fra Diavolo oder Das Gasthaus zu Terracina, situiert in den Abruzzen und uraufgeführt 1830 in Paris, dem Publikum vor.

Gemeinsam mit Ausstatter Marc Weeger, einem ehemaligen Schüler Jürgen Roses in Stuttgart, und der Kostümierung durch Silke Willrett brachte Hendrik Müller eine von farbenfrohen Täuschungsmanövern und wechselnden Verkleidungen reichlich belebte Interpretation des nicht immer präsenten Klassikers Aubers auf die Bühne. Beider bewährte Zusammenarbeit, in Regensburg anlässlich von Moritz Eggerts Freax und Puccinis reanimierter Oper Edgar, fiel auch hier auf fruchtbaren Boden: Als überaus spaßige Überraschung erwies sich, um nur eines der vielen Beispiele zu nennen, der Auftritt von Fra Diavolos Spießgesellen Beppo und Giacomo als Frau Antje und Meister Proper aus der nur allzu bekannten Fernsehwerbung …

Überhaupt waren in den Rollen der zwei Banditenschergen, zusammen mit ihrem Anführer auch mal im Gestus der drei Affen (die nichts hören, nichts sehen und stumm sind), die fest zum Ensemble gehörenden Kammersänger Jörg Rathmann und Máté Sólyom-Nagy stimmlich durchwegs hochpräsent. Dies gilt noch mehr für die vokale Favoritin des Abends, die portugiesische Sopranistin Leonor Amaral: Trotz der zunächst scheinbar kleinen Nebenrolle Zerlines als Hotelzimmermädchen, in der sie eingeführt wurde, erwies sich die Tochter des Empfangschefs Matteo (stimmkräftig dargestellt durch den Koreaner Caleb Yoo) als heimliche Hauptfigur namentlich des zweiten Akts. Sie wird von den drei Banditen, deren Kopf sich als Marquis ausgibt, belauscht, da sie ihr eine größere Geldsumme abluchsen wollen, die sie für ihren Verlobten, den Polizeisergeanten Lorenzo – mit starkem Vibrato, doch glänzend gesungen von Julian Freibott – angenommen hatte. Mit überzeugender Emotionalität verlieh sie ihrer Vorfreude auf den Hochzeitstag mit dem Geliebten Ausdruck.

Hinter der sich ausbreitenden Unruhe im Hotel steckt natürlich kein anderer als der „edle Räuber“ Fra Diavolo, dämonisch, verführerisch und klanglich voluminös repräsentiert durch Alexander Voigt, der im dritten Akt als schwarzer Vogel gewandet die Szenerie dominiert. Zunächst stellt er als Marquis gewandet dem englischen Ehepaar Lady Pamela und Lord Kookburn nach, das sich mit einer größeren Summe Bargeldes einquartiert hat.
Sein Täuschungsmanöver besteht darin, dass er vorgibt, sich Zerline und Pamela, letztere köstlich überzogen dargestellt durch Katja Bildt, angenähert habe, um vom beabsichtigten Diebstahl, der ihm im Falle des Medaillonraubs zunächst auch gelingt, abzulenken. Nicht nur schauspielerisch glänzend setzte Juri Batukov die Rolle des alternden Lords um, der sich nur schwer überreden lässt, ein paar Bahnen im Hotelschwimmbad zu drehen.

Die bunt gewürfelte Gesellschaft im Quartier wurde durch den Chor, der prominente Typen der Haute volée weltweit bekannter Musiker und Künstler imitierte, witzig karikiert: Richard Carlucci etwa brillierte hier in ausladend jovial-arroganter Gestik als John Travolta mit Elton-John-Brille. Angesichts des schieren Umfangs des singenden Hotelvölkchens war es jedoch kaum möglich, alle Nachahmungen zu identifizieren.

Besonders sei auf die die stimmige musikalische Auslegung des Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Chanmin Chung hingewiesen – nicht zuletzt aber auf die gesamte Einstudierung der Oper durch Ralph Neubert, der als Hotelpianist während der gesprochenen und amüsant dazugetexteten Sprechteile behutsam, aber stets anwesend, mit romantischen Bravourstücken und zur Handlung passender Begleitung unterhielt.

Bis zum Schluss der Oper bleibt offen, ob unter der mit hoher Polizeipräsenz und entsprechend ohrenbetäubendem Waffeneinsatz im Waldgebirge (wirksam illustriert durch ein opulentes Freischütz-Bühnenbild) gestellten Räuberbande auch Fra Diavolo, der falsche Marquis ist, um seiner gerechten Strafe zugeführt zu werden. Jedenfalls: Der Hochzeit von Zerline und Lorenzo steht nunmehr nichts im Wege.
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10.10., 12.10., 21.10., 27.10., 2.11., 11.11., 17.11., 9.12., 26.12.2018