Mit mechanischem Klingelton

Tatsächlich gibt es auch im digitalen Zeitalter mit seinen Klingeltönen, die gegenüber den „Nachricht-eingetroffen“-Signalen mittlerweile eine untergeordnete Rolle spielen, noch mechanisch erzeugte spitze Töne, von denen viele „bewusst“ Glöckchen, wenn es sich nicht gar um echte Türglocken handelt, nur imitieren, etwa die Triangel.

Weder reine Kindersache noch ein Kinderspiel, auch wenn Eltern dies häufig glaub(t)en: Einsatz der Triangel (Mi.) im Perkussionsapparat des Orchesters (Philadelphia Youth Orchestra, section 132, 30.3.2014, CC-Liz.)

Das Schlaginstrument muss im europäischen Raum spätestens im hohen Mittelalter aufgekommen sein, denn es findet sich unter anderem auf einer Miniatur der Wenzelsbibel vom Ende des 14. Jahrhunderts dargestellt; Michael Praetorius nahm es im zweiten Band seines 1619 in Wolfenbüttel erschienenen Syntagma musicum zusammen mit Trommeln und Xylophonen unter die Perkussionsinstrumente auf, da es mit eisernen oder hölzernen Schlägeln zum Klingen gebracht werde. Die Notation erfolgt heute in einem Fünfliniensystem.

Die Empore der spätbarocken Kirche im Wangener Heilig-Geist-Spital zieren Instrumente, ganz in der Mitte oben – an Stelle des göttlichen Auges – thront wegen ihres außergewöhnlich hellen Klangs die Triangel (Andreas Praefcke, Januar 2014, CC-Liz.).

Bei Jean-Baptiste Lully konnte das frei an einem Faden hängende. aus Stahl geformte und mit Metallstab angeschlagene „Dreieck“ im Opernorchester bereits verwendet worden sein, an Stellen wohl, an denen damit das Numinose und wunderlich Fremde, eine weibliche Stimme oder sogar Orientalisches akustisch illustriert werden sollte. Nach und nach und teils gleichzeitig mit der China-Mode des 18. Jahrhunderts kam die Welle des Exotismus mit der Janitscharenmusik – oder was man dafür hielt – in Mitteleuropa an und hier erlebte das bislang eher selten in weltlicher Musik eingesetzte Idiophon eine Art Neugeburt: Ähnlich wie Tamburin und Rasseln diente es nun der Charakterisierung oder Repräsentation türkischer und – davon beeinflusster – südosteuropäischer Kulturen.

Auch das gibt es: eine (riesige) Bass-Triangel, gespielt vom Perkussionisten Moon (rechts, 10.6.2013, CC-Liz.).

Da zum vollen Klang des großen Symphonieorchesters, wie es sich im 19. Jahrhundert allmählich durchsetzte und zentrale Aufmerksamkeit in breiten bildungsbürgerlichen Schichten fand, neben den tiefsten, von Kontrabass, Kontrafagott und Kesselpauke erzeugten auch die hellstmöglichen, höchsten Frequenzen gehören, fand die Triangel auch ihren festen Platz im Oberbau des Schlagwerks und wurde im Laufe der Jahrzehnte ebenso häufig in der romantischen Symphonie eingesetzt wie in Oratorium und Messe. Seine ideale Verwendbarkeit für Zwecke der musikalischen Frühpädagogik wurde bekanntlich erst durch Carl Orff im 20. Jahrhundert erkannt.


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