Zum preußischen Kapellmeister gewandet: Gaspare Spontini, der angesichts seiner seit 1804 anhaltenden Erfolge mit Beiträgen zur Opéra-comique in Paris sogar seinen Vornamen in Gaspard ändern ließ, wurde mehr oder minder abgeworben, als im Jahr 1814 Hohenzollern-König Friedrich Wilhelm III. seine bereits sieben Jahre lang auf dem Spielplan stehende Oper La Vestale um die Geliebte des römischen Feldherren Licinius zu hören bekam und offensichtlich begeistert war. Denn sechs Jahre später erfolgte bereits die Ernennung des schon in Italien als junger Komponist im komischen Fach beachteten Spontini zum Berliner Königlichen „Ersten Kapellmeister und General-Musikdirektor“.

Nach anfänglichen Achtungserfolgen mit einer deutschen – nach der französischen – Olimpia (1821), Nurmahal (1822) und Alcidor (1825) entschied sich Gaspare Spontini in Zusammenarbeit mit dem Dramenautor Ernst Raupach, einer Amtsverpflichtung nachkommend, für den ins 12. hochmittelalterliche Jahrhundert hinabreichenden Stoff der Agnes von Hohenstaufen (1. Fassung 1827) noch vor einem möglichen Libretto um die historische (heilig gesprochene) Elisabeth von Ungarn. Diese Priorisierung war wohl einer Huldigung an den preußischen König geschuldet, denn das Haus Hohenzollern berief sich schließlich auf die Staufer zurück, um deren politische Ziele im Konzert der Großmächte unter der Vorherrschaft Friedrich I. Barbarossa sich in Agnes von Hohenstaufen schließlich alles dreht.

Der Beachtung wert ist auch die Situierung der Oper am Theater Erfurt, übrigens ganze 32 Jahre nach der letzten namhaft gewordenen Aufführung des Musikdramas am 26.11.1986 in Roms Teatro dell’Opera. Denn die Unterwerfung Heinrichs des Löwen unter den Kaiser auf dem Hoftag zu Erfurt anno 1181 gehört zu den Fakten im Hintergrund des historistischen und gleichzeitig kosmopolitischen Librettos. Da der Sohn Heinrichs des Löwen Agnes, Tochter des Staufischen Pfalzgrafen Konrad bei Rhein geehelicht hatte, bedeutete dies eine Missachtung des kaiserlichen Willens, es gelang Heinrich dem Löwen aber sich in der Pfalz Tilleda (am Erfurt nahen Kyffhäuser) mit Kaiser Barbarossa auszusöhnen.

Ob es sich dabei um eine für Europa relativ unbedeutende historische Episode handelte, sei dahingestellt, festzuhalten bleibt jedoch, dass Raupachs Stoffbehandlung durch das Prisma der zeitgenössischen Geschichtsschreibung, insonderheit durch Friedrich von Raumer, zu sehen ist, die auf eine Bestätigung der Kontinuität des Machtanspruchs im Hause Hohenzollern hinauslief.
Um dies abzubilden, entschied sich der Regisseur des Abends, Marc Adam, der in Erfurt auch bereits Das schwarze Blut und Turandot (anlässlich der Domstufen-Festspiele) inszeniert hatte, die angesichts des verheerenden Ersten Weltkriegs bedrohlich wirkende preußische Emblematik des Kaiserreichs unter Wilhelm II., im Zusammenwirken mit dem Dramaturgen des Theaters, Arne Langer, miteinzubringen: Pickelhaube und Militäruniform spielen hier ebenso eine Rolle wie das soldatische Auftreten der Hofgesellschaft an sich; ob es glücklich war, im ersten Akt nach der Ouvertüre gleichermaßen martialisch einen „preußischen“ Adler in persona animalis einfliegen zu lassen, was durch dessen Einhacken auf ein Weltkriegsopfer freilich drastisch und sinnfällig relativiert wurde, mag das Publikum entscheiden.

Bemerkenswert ist, dass die Ouvertüre überhaupt am 1. Juni 2018 wieder erklingen konnte, denn seit 1840 galten die Stimmen der Partitur als verloren. Durch gleichsam kriminalistische Nachforschungen gelang es dem italienischen Komponisten Paolo Prete, deren Stimmsatz an der Königlichen Bibliothek Kopenhagen ausfindig zu machen. Er gehörte einst dem 1836 begründeten „Musikforeningen“, der sich die Publikation dänischer Musik zum Ziel gesetzt hatte. Doch organisierte die Vereinigung auch Konzerte, und zu einem von diesen erklang im Mai 1840 Spontinis Ouvertüre zur Agnes von Hohenstaufen zusammen mit Beethovens 6. Symphonie, dem Finale von Rossinis Guillaume Tell und Mendelssohns Rondo brillant.