Hörbare Stille

Demnächst, am 15. März 2018, steht im Salon des Melbourne Recital Centre die Aufführung eines neuen Vokalwerks durch die Formation The Debussy Project an: Einer der letzten größeren Erfolge Lisa Illeans als Komponistin liegt aber noch nicht lange zurück. Der Klarinettist Thomas Watmough spielte am 4. Juli 2016 unter der Leitung von Magnus Lindberg und zusammen mit Musikern des LPO im Londoner Royal College of Music ihr Kammermusikstück Rose. Im selben Jahr wurde sie von der Royal Philharmonic Society ausgezeichnet. Unter anderem standen ihre Werke auch schon auf den Programmen von BBC und den Symphonieorchestern von Melbourne und Sydney.

Acousmaticus magnicornis Boiler: ein Insekt, das man (beinahe) nur hören kann und dass so den Klangquellen in einigen Stücken von Lisa Illean verwandt ist (Charles Owen: Aid to the identification of insects, Plate 132, CC Liz.).
Acousmaticus magnicornis Boiler: ein Insekt, das man (beinahe) nur hören kann und dass so den Klangquellen in einigen Stücken von Lisa Illean verwandt ist (Charles Owen: Aid to the identification of insects, Plate 132, 1880-90, upl. 2012, CC Liz.).

Eine besondere Note verleiht ihrer Arbeit der Umstand, dass Lisa Illean gelegentlich gezielt für bestimmte Örtlichkeiten schreibt, so etwa für das Arts Centre von Melbourne oder  das ethnologische Museum in Vancouver. Derzeit strickt die Künstlerin, die wenigstens seit 2016 einem größeren australischen und britischen Publikum bekannt ist, mit einem Stipendium am Royal College of Music in London an ihrer Dissertation. Diese Daten sagen aber noch gar nichts über ihre persönliche künstlerische Ausrichtung aus. Sie gehört zu einer kleinen Zahl von prominenteren Komponisten, die sich neben der Aufführung regulärer Musik akusmatischer Inszenierungen bedient: Die Quellen, von denen der Schall ans Ohr der Zuhörer dringt, bleiben hier verborgen. Denkbar ist zum Beispiel, dass Musiker hinter dem Bühnenvorhang bleiben oder im Abseits eines Orchestergrabens stehen und dabei unterschiedliche Distanzen zum Saal nutzen.

Die australische Komponistin Lisa Illean beschäftigt sich sowohl mit akustischen als auch akusmatischen Klangumgebungen (Catherine Pyle, Australian Music Centre).
Die australische Komponistin Lisa Illean beschäftigt sich mit akustischen wie akusmatischen Klangumgebungen (Catherine Pyle, Australian Music Centre).

Stille und Ruhe, Abwesenheit des Sichtbaren und der Hervorbringung von Tönen, dies sind die Markenzeichen von Illeans Schaffen. Eine musikkritische Stimme des Sydney Morning Herald beschrieb ihre Musik als außerordentlich ruhig, wobei kleine, aber markante Veränderungen des Klangbilds zu verzeichnen seien. Tatsächlich handelt es sich bei den Werken der in London lebenden Australierin nicht etwa um Minimal Music, sondern um tiefsinnige Studien der Stille – jenseits des Großstadtlärms, der die Konzerthäuser umflutet …

Wenn Musik nur zu hören, aber nicht(s) zu sehen ist: Avatar von Jean Voguet (23.11.2011, jdchev, CC Liz.)
Wenn Musik nur zu hören, aber nicht(s) zu sehen ist: Avatar von Jean Voguet (23.11.2011, jdchev, CC Liz.)

 

 

Was die Besetzungen betrifft, so reicht die Spanne von der Solo-Bratsche in Cranes (2017) über große Kammerensembles in Januaries bis zum vollen Orchestereinsatz in Werken wie Further in Summer oder Land’s End aus demselben Jahr. Eine Sopranstimme mit individuell bestückter Kammerformation bestimmt die am 23. September letzten Jahres aufgeführte „Liedkomposition“ Cantor nach einem Text von Willa Cather.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert