Nach diesem Namen wird man in den meisten populären Opernführern umsonst suchen: Über Italien hinaus ist von dem 1883 im oberitalienischen Rovereto geborenen und späteren Mascagni-Schüler Riccardo Zandonai nur in Fußnoten zu lesen. Möglicherweise liegt dies an seiner Zwischenstellung – nach Puccini und noch ohne Bezug auf „neue Schulen“ wie diejenige Arnold Schönbergs -, was eine langanhaltende Rezeption im Ausland womöglich verhinderte; um eine flüchtig vorübergehende Modeerscheinung handelt es sich bei seiner individuellen musiktheatralischen Idiomatik jedenfalls nicht. Einmal konnte er um 1922, dem Jahr der Uraufführung von Giulietta e Romeo bereits auf den Verismo zurückblicken, von dem er allerdings einiges gelernt hatte, zum anderen sind in seiner Musik Anklänge an den französischen Impressionismus herauszuhören, ebenso wie eine gewisse Orientierung am Stil von Richard Strauss.

Was die Gestaltung des Librettos zu der dreiaktigen Oper durch Arturo Rossato betrifft, so liegt hier ein Kuriosum vor: Denn der Zeitungsredakteur und Komödiendichter griff anders als Bellini in I Capuleti e i Montecchi direkt auf die gegenüber der elisabethanischen Zeit ältere Quelle der Novelle von Luigi da Porto um 1530 zurück, auf die sich Shakespeare selbst aber auch bezog. Einige Szenen wurden zu den vorliegenden Stoffbearbeitungen hinzuerfunden, etwa das Kirchweihfest in Mantua zu Beginn des dritten Aktes, anlässlich dessen ein Cantatore, in der Erfurter Erstaufführung am 8. April 2017 mit großer Ausdruckskraft dargestellt durch Won Whi Choi, vom vermeintlichen Tod Giuliettas kündet.

Gegenüber der Novelle nahmen Rossato und Zandonai, beeinflusst auch durch dessen Vertrauten Nicola D’Atri zahlreiche Veränderungen am Plot vor und suchten die Handlung durch Weglassen von Elementen, die ihnen überflüssig erschienen, zu straffen. So kamen ihnen etwa das Motiv des Gifttranks wenig plausibel vor und musste entfallen. Ebenso konnte unentschieden bleiben, ob Giulietta und Romeo bereits die Ehe geschlossen hatten oder erst verlobt waren. Im Sinne einer größeren Authentizitätsillusion wurde neben der historisierenden Wortwahl in den Versen sogar der veronesische Dialekt verwendet; auch archaisierende motivische Formeln in der Musik selbst, verfremden die insgesamt spätromantische Anlage der Oper und entrücken sie atmosphärisch in ein weit zurückliegendes (spätes) Mittelalter ohne klare Konturen.

Myron Michailidis, dem Gastdirigenten dieses langen Opernabends, gelang es vortrefflich, die harmonischen und motivischen Zusammenhänge selbst für den Laien immer durchhörbar zu bündeln. Weniger schwer als die tragische Handlung suggeriert, vielmehr dramatisch-spannungsvoll und vorwärtstreibend leitete der langjährige Chef des Nationalorchesters Thessaloniki das Philharmonische Orchester Erfurt, das ihm mit kraftvollen Einsätzen folgte.

In den Hauptrollen glänzten die litauische Sängerin Jomanté Šležaité und Eduard Martynyuk, mit Stimmgewalt daneben Siyabulela Ntlale als Tebaldo, der Sprecher des Capuleti-Clans, der hier auch schaupielerisch brillant agierte. Guy Montavons Inszenierung, der mit Francesco Calcagnini als Bühnenbildner zusammenwirkte, gelangen darüber hinaus sehr abwechslungsreiche Szenerien vom „Klassenzimmer“ des ersten Akts über eine mehr die Eleganz des dämmernden 20. Jahrhunderts spiegelnde Kirchweihszene bis hin zum düsteren Ambiente des Hauses, in dem Romeo wieder auf Giulietta trifft. Darüber hinaus sollte hier auch – nachträglich zur gestrigen Premiere – dem Chor applaudiert werden, der passend zu jeder Stimmung und voluminös aus dem Hintergrund singend wie in einzelnen Szenen den musiktheatralischen Abend abrundete.
Schreibe einen Kommentar