Seiner leicht aufbrausenden Natur geschuldet musste sich Thomaskantor Bach mit den Eingangsworten seiner Kantate für den dritten Adventssonntag Ärgre dich, o Seele, nicht wohl selbst gut zureden. Denn nach den Leipziger Vorschriften galt die vorweihnachtliche Zeit als zu Besinnung und Andacht bestimmtes „tempus clausum“, was heißt, dass die Kirchenmusik zu schweigen hatte. Somit konnte er nicht auf seine alte Weimarer Komposition, die dort am 13. Dezember 1716 erstmals erklang, zurückgreifen und arbeitete sie für den 7. Sonntag nach Trinitatis um. In der neuen, umfangreicheren Form war sie erstmals am 11. Juli 1723 in Leipzig zu hören.

Die Weimarer Urform der Kantate BWV 186, die aus nur sechs Teilen bestand, konnte von Diethard Hellmann 1963 rekonstruiert werden, so dass wir heute allen quietistisch pietistelnden Adventsmusikverboten zum Trotz auf eine echte Kantate zum Sonntag Gaudete zurückgreifen können. Der Text für den Schlusschoral „Darum, ob ich schon dulde …“ stammte vom Kirchenlieddichter Ludwig Helmbold, zur Reformationszeit Professur für Philosophie an der Universität Erfurt. Für die übrigen fünf Teile hatte Salomon Franck die Texte geliefert.

Im Hinblick auf eine Verwendung an der alternativen Stelle im Kirchenjahr musste einiges geändert werden: Rezitative wurden eingefügt, die Vorlagen der Arien erfuhren leichte Änderungen, ein textlich anderer Schlusschoral auf der Basis der 11. Strophe der Dichtung Es ist das Heil uns kommen her von Paul Speratus ersetzte nun den vorhandenen der sieben Jahre älteren Version. Der Musik nach handelt es sich bei dieser Choralfantasie um ein Concerto für einen Sopran, der den cantus firmus singt, während ihm die anderen Stimmen imitierend kontrapunktisch in raschem Tempo sekundieren.

Der letzten Duett-Arie vor dem Schlusschoral, Lass, Seele kein Leiden attestierte Albert Schweitzer einen Ausdruck dionysische[r] Freude. Es lohnt sich also in den Adventstagen nachzuhören, zu welchem Zweck die in der Besetzung leicht minimalistische, jedoch „historisch informierte“ Aufnahme mit Sigiswald Kuijken und dem bewährten Ensemble La Petite Bande empfohlen sei.
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