Wenn es um die absolute Rohrlänge der im Grassi-Museum ausgestellten Blasinstrumente geht, so schießen die restaurierte Basspommer aus der Renaissancezeit und das Kontrabass-Saxophon von 1930 sicher den Vogel ab: Bei ersterem lässt sich schon von einer reinen Stehhöhe von drei Metern sprechen, das Saxophon bringt es, rechnet man den Tubus hinter dem Knick zu, auf dieselbe Länge. Beide reichen jedenfalls, was das Spiel mit ihnen betrifft, an die Grenze des Menschenmöglichen: Benötigt man nicht eine vielstufige Leiter, um von oben in das Mundstück der Pommer zu blasen oder wurde das Instrument schräg liegend wie ein Alphorn gespielt und der Ausführende konnte vielleicht sogar bequem sitzen?

Noch fragwürdiger erscheint das Anblasen des sicher in gewaltiger Basstiefe dröhnenden Saxophons, was wohl bei dem historischen Stück fast nur vom Bühnenpodest aus möglich war, wenn man den Tubus auf dem Boden des Zuschauerparketts positionierte? Irgendwie muss es aber verwendet worden sein, denn nur für das Museum war ein solches Meisterwerk der Instrumentenbaukunst nicht bestimmt, wohl aber für eine stark besetzte und auf Lautstärke angelegte Bigband im Berlin der Weimarer Republik. Handelt es sich hingegen bei Glastrompete, Glastraversflöte und Glasvioline nicht doch um Präsentationsstücke, die zu zerbrechlich scheinen, um wirklich gespielt zu werden? Jedenfalls waren diese Instrumente, bei denen nur die „Atemleitung“ bzw. die Saiten nicht aus durchsichtigem Glas bestanden, im 19. Jahrhundert eine Zeitlang sehr beliebt.

Bei der Chitarrone half es einem Spieler sicher, wenn er ungefähr über die Körpergröße oder wenigstens den Arm-Ambitus eines Dirk Nowitzki verfügte, denn der obere Wirbelkasten des nicht erst in der Barockzeit sehr populären Basso-continuo-Instruments schwebt bei einem Exemplar des Grassi-Museums doch in beachtlicher Höhe. Dabei erreichen die Theorben und die Erzlaute überhaupt beachtliche Halslängen mit teils schwer erreichbarem Stimmschraubwerk; hier hätte, sei es beim Üben oder im Konzert, wo möglich mancher lieber den Bogen gebraucht anstatt mit den Händen in schwindelnde Höhen greifen und je nach vorgegebenem Tempo schnell wieder nach unten rutschen zu müssen …

Einzigartig im Hinblick auf ihren dokumentarischen Wert sind die ausgestellten folkloristischen Instrumente, die früher als aus dem 17. Jahrhundert datieren – denn notiert wurden die darauf gespielten, nur durch Hören und Nachspiel tradierten Stücke nicht, einmal natürlich wegen des gängigen Analphabetismus und damit der mangelnden Notenlesefähigkeit bei einem Großteil der (fahrenden) Musiker „aus dem Volk“ und weil ihr Repertoire von der gebildeten Schicht der Aufzeichnung nicht für würdig befunden wurde. Eine Kuriosität, die ein wenig an die ebenfalls bei Straßenmusik eingesetzte Drehleier erinnert, ist etwa ein geigenähnliches Streichinstrument mit einer Mini-Klaviatur, die gerade einmal drei Oktaven umfasst. Denn leicht transportabel mussten die Instrumente auf Fußmärschen und anderen Reisen ja sein.

Aus Gründen der Mobilität waren auch beim Adel und im späteren Bildungsbürgertum die Pochette-Geigen beliebt, die sich bequem am Unterarm verstauen ließen und vielleicht auf ein Drittel der gewöhnlichen Violingröße kamen. Der Sohn Ludwig XIV., Le Grand Dauphin, nannte ein Exemplar mit Bogen aus Elfenbein sein eigen. Die im bürgerlichen Zeitalter denn auch Tanzmeistergeige genannte Pochette, die nur mit drei, später vier Saiten bespannt war, hatte allerdings einen viel dünneren, feineren Klang und war daher in der Regel nur zu bestimmten, schließlich überwiegend praktischen Anlässen einsetzbar, um zu begleiten oder eine Melodie vorzugeben.

Nicht zu vergessen sind die selbst aus dem 16. Jahrhundert noch gut hinübergeretteten bzw. -restaurierten Tasteninstrumente des Museums, seien es kunstvoll bemalte Orgelpositive, Cembali oder Clavichorde, dann Hammerklaviere und diverse Arten von Hausorgeln. Auch hier achteten die Verantwortlichen der außerordentlich systematisch aufgestellten Sammlung darauf, heute seltsam erscheinende Seitenpfade zu dokumentieren, zu denen ein in seiner Multifunktionalität den heutigen Keyboards nahekommender besonderer Pyramidenflügel von ca. 1825 gehört: Mit ihm konnte ein Alleinunterhalter gleichzeitig zum Klavierspiel von Mohrenfiguren geschlagene Becken, Schellenbaum und Trommeln erklingen lassen, was den „Flügel“ zur Tanzmusik von der Polonaise bis zum Walzer geeignet machte.
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