Technisches Know-How und stilistischer Wandel

Lwów, das früher auch Lemberg genannt wurde, war die Wiege oder bevorzugte Bleibe zahlreicher wichtiger Persönlichkeiten. Die heute in der Westukraine liegende Stadt beherbergte unter anderem den Science-Fiction-Autor Stanisław Lem, die Komponisten Bogusław Schaeffer und Wojciech Kilar und die Schauspielerin Krystyna Feldman. Die dort gebürtige Krystyna Moszumańska-Nazar (1924 – 2008) studierte zunächst in Krakau Komposition bei Stanisław Wiechowicz und Klavier bei Jan Hoffmann. Dank ihrer hohen Begabung wurde sie dort als Assistenzdozentin verpflichtet und zwar – was aus deutscher Perspektive eher ungewöhnlich scheinen mag – gleichermaßen für Musiktheorie und Komposition wie für Orchesterleitung.

Krystyna Moszumanska-Nazar stand über Dekaden hinweg der Musikakademie Krakau vor und entwickelte ihren eigenen Kompositionsstil weiter, ohne dem Konservatismus zu verfallen (Katastrof, 9.8.2009).
Krystyna Moszumańska-Nazar stand über Dekaden hinweg der Musikakademie Krakau vor und entwickelte ihren eigenen Kompositionsstil weiter, ohne dem Konservatismus zu verfallen (Katastrof, 9.8.2009).

Überhaupt gehörte sie zu jenen Pionierinnen, die nicht mehr schwerpunktmäßig auf Kammermusik abonniert waren, sondern sich sogar mit Vorliebe der Ausgestaltung großer Orchesterpartituren widmeten. Ihr Lebenswerk führt parallel zum akademischen Unterricht, den sie dadurch ebenso weiterentwickelte, durch drei Stilperioden: Zuerst griff sie die noch virulente neoklassizistische Tradition auf, wie sie etwa Igor Strawinsky repräsentierte, auf, dann konzentrierte sie sich auf postserielle Techniken. Auf diesem Gebiet interessierte sie sich zunehmend für Fragen der Klangkomposition und bezog schließlich auch das elektroakustische Medium als „dritten Partner“ in ihre Interpretationen für Flöte und Schlagzeug – und Tonband (1967) ein.

Eine der letzten Kompositionen, in der eine Erzählerstimme hnzutritt, "porträtierte" die Krakauer Komponistin das mythische Paar Orpheus und Eurydike (Alsterpark Hamburg, 29.9.2010, Emma7stern).
Für eine ihrer letzten Kompositionen, in der eine Erzählerstimme hnzutritt, „porträtierte“ die Krakauer Komponistin das mythische Paar Orpheus und Eurydike (Alsterpark Hamburg, 29.9.2010, Emma7stern).

Der dynamische Vorwärtsgang ohne jegliche Scheu, Neues zu erproben, führte auch auf Wettbewerben zu hoher Aufmerksamkeit auf die polnische Pianistin aus Lemberg und spätere Rektorin der Musikakademie Krakau: Anfang der 1960er Jahre, als sie Hexaèdre für Streichorchester, mit einem Streichtrio und ihrer damals tagesaktuellen Musik für Streicher hervorgetreten war, erhielt sie in Buenos Aires den 1. Preis des Internationalen Komponistinnenwettbewerbs, es folgte der GEDOK-Preis beim Komponistinnen-Wettbewerb in Mannheim, bevor sie 1966 für ihre Variazoni concertanti beim Malawski-Concours in Krakau ausgezeichnet wurde.

Die Komponistin und Hochschuldozentin aus Lemberg an ihrem Schreibtisch (moszumanska-nazar.html&h=211&w=150&tbnid=raHBttDoQtn_JM%_).
Die Komponistin und Hochschuldozentin aus Lemberg an ihrem Schreibtisch (moszumanska-nazar.html&w=150& amp;tbnid=raHBttDoQtn).

 

 

Trotz ihrer Bevorzugung herkömmlicher Orchesterinstrumente in einem umfangreichen Kammermusikschaffen und dem teilweisen Rückgriff auf überkommene Formen – etwa in der nicht zuletzt an Schumann erinnernden Novelette für Flöte und Klavier – behielt Krystyna Moszumańska-Nazar einen Sinn für weniger geläufige Besetzungen bei, so im Konzert für Schlagzeug und Orchester (1998), in der Musiquette für zwei Trompeten und Perkussion (2003) oder in Orpheus / Eurydyka für Sopran, Bariton, Erzähler und Kammerorchester (2005).

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