Eine kreative Musikerfamilie

Dem Pianisten Brasílio Itiberê da Cunha kam es zugute, dass er als Jurist in diplomatischen Diensten zu längeren Aufenthalten nach Italien und Belgien kam, Bolivien und Peru bereiste. Denn so konnte er auch die Kontakte zu bedeutenden Musikerkollegen knüpfen und vertiefen: Er kommunizierte mit Arthur Rubinstein, Franz Liszt und Giovanni Sgambati. Selbst schrieb er zahlreiche Klavierstücke, daneben auch Vokalwerke und Kammermusik für Violine und Klavier. Seine Vorlieben fand Brasílio Itiberê da Cunha in französischen Sujets und polnischen Tanzgenres, dem „westlichen“ Geschmack der Zeit verpflichtet. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass er als einer der ersten brasilianischen Komponisten gleichzeitig von diesem europäischen Kurs abwich und Folklore seines Heimatlandes integrierte.

Die Partitur "A Sertaneja" von Brasílio Iitiberê da Cunha vereint in sich verschiedene folkloristisch gewordene  brasilianische Melodien und ist mit einer Vokalstimme versehen (3.7.2013, US p.d., http://petrucci.mus.auth.gr/ imglnks/usimg/0/0f/IMSLP68043- PMLP137454-sertaneja.pdf)
Die Partitur „A Sertaneja“ von Brasílio Iitiberê da Cunha vereint in sich verschiedene folkloristisch gewordene brasilianische Melodien und ist mit einer Vokalstimme versehen (3.7.2013, US p.d., http://petrucci.mus.auth.gr/
imglnks/usimg/0/0f/IMSLP68043-
PMLP137454-sertaneja.pdf)

Schon die Eltern des 1846 in Paranaguá geborenen späteren Konzertpianisten musizierten selbst intensiv als Laien und so mochte eine Parallelkarriere in der Musik keine große Hürde für ihn dargestellt haben. In seinem Neffen setzte sich die musikalische Professionalisierung der Familie fort, nachdem bereits der um etliche Jahre jüngere Bruder João Itiberê da Cunha (1870 – 1953) sich als Musikkritiker einen Namen gemacht hatte. Als Brasílio in diplomatischer Funktion in Belgien weilte, begann João in Brüssel Jura zu studieren, später wirkte er allerdings wieder als Journalist. Seine Werke, deren Ruf ihn später in die Academia Brasileira de Música aufsteigen ließ, orientierten sich noch deutlicher am französischen Repertoire, was Titel wie Danse plaisante et sentimentale und Marche humoristique verraten; gleich seinem Bruder schuf er aber sowohl Klavier- als auch Vokalmusik. João schrieb Beiträge sowohl für Le Figaro als auch La Jeune Belgique und verfasste Gedichte in der Sphäre des Symbolismus.

Die Zweitkarriere des Diplomaten setzte sich im Erfolg des Neffen fort: Brasílio  Itiberê da Cunha (1846 - 1913)  (Anonym, 12.7.2011).
Die Zweitkarriere des Diplomaten setzte sich im Erfolg des Neffen fort: Ahnherr Brasílio Itiberê da Cunha (1846 – 1913) (Anonym, 12.7.2011).

Brasílio Itiberê II (1896 – 1967), mit bürgerlichem Namen Brasílio Itiberê da Cunha Luz absolvierte zunächst ganz anders als Vater und Onkel ein Ingenieursstudium. In einer Zeit, als er Novellen veröffentlichte und als Musikkritiker arbeitete, hegte er ein besonderes Interesse an der brasilianischen folkloristischen Überlieferung, für die ihn sein Onkel begeistert haben mochte. Diese Aktivität passte genau in die nationalromantische Aufbruchsströmung, die Brasilien mit Verspätung gegenüber der Entwicklung in Europa erfasst hatte. Sie gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur (kulturellen) Identitätsfindung eines großen, aber sehr inhomogenen Staates.

 

Die Pianistin Gisele Rizental nahm sich der in Europa kaum bekannten Klavierwerke von Brasílio Itibere da Cunha an ().
Gisele Rizental nahm sich als Solistin der in Europa kaum bekannten Klavierwerke von Brasílio Itibere da Cunha an (Vol. 1 Le Jardin Des Tropiques, Op. 27, No. 3, DMCA, www.gramofone.com.br).

Die durch einen Freund vermittelte Begegnung mit Heitor Villa-Lobos im Jahr 1934 intensivierte diese Bemühungen und Brasílio Itiberê da Cunha Luz konzentrierte sich fortan vor allem auf die Überlieferung der afrikanischen Musik in Brasilien. So kam es, dass er bald einen Lehrstuhl für musikalische Folklore und Gesangsvereinswesen in Rio de Janeiro erhielt.

Die Forschungen strahlten auf das eigene Werk produktiv aus. So hat seine Suite Liturgica Negra – die in einer markanten Aufnahme mit der Pianistin Daniele Espíndola bei YouTube vorliegt – ihren Ursprung im schwarzbrasilianischen Macumba-Ritus. Dennoch decken seine Kompositionen decken beinahe alle Genres ab, auch wenn er sich vor allem der Chor- und Orchestermusik widmete; beispielhaft hierfür stehen eine Vertonung des 150. Psalms und sein Prelúdio Vivaz für Orchester.

 

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