Wer hätte gedacht, dass sich die dadaistische Bewegung als Sprachrohr der Sprachlosen nach dem sinnleeren Ersten Weltkrieg gerade heute wieder auf offene transatlantische Ohren trifft? Hans Tammen präsentiert am kommenden Freitag um 19 Uhr im New Yorker Spectrum NYC Wortverdrehkünste neben Dada-Projekten von Repräsentanten der Musikszenen, Louie Terrier und Kevin Ramsay treffen dabei auf Sarah Bernstein und Melissa Grey. Letztere wirkt seit 2004 an der Tufts University im Bundesstaat Massachusetts als Composer in Residence und widmete sich bislang vorzugsweise klassisch orientierter Kammermusik sowie elektroakustischem Instrumentarium, gelegentlich auch in Kombination miteinander wie im Falle von Appassionata nach einem Thema des Philosophen Ludwig Wittgenstein: Hier steht das Tonband im konzertanten Trio mit Flöte und Violine.

Hier handelt es sich um zwei ausgesprochene Lieblingsinstrumente von Melissa Grey, gleichrangig neben diesen rangiert die Harfe. Diese setzte sie 2004 im Sopranlied mit Trio Hour to Hour nach einem Gedicht von Alexander Pope ein, in ihrer kurz darauf entstandenen Videoperformance Self Portrait mit zwei Erzählern und ihren bevorzugten Instrumenten, außerdem in der digitalen Version ihrer Komposition Further Back (2006) für Sopran, Flöte, Violine und Harfe. Greys persönliches Interesse gilt ebenso sehr Klanginstallationen wie der elektroakustischen Realisation Farewell to Earth von 2002, zusammen mit Dan Rose trug im selben Jahr ihr Stück Vertical Terrain zu diesem Genre bei. Weniger bekannt ist denjenigen, die ihre Werke konzertant erlebt haben, vielleicht, dass sie Soundtracks zu Filmen produziert; die erfolgreiche Musik zum Dokumentarfilm Confining Thoughts zählt dabei wohl zu den bekannteren Beiträgen. Da zu Greys eigenen Arbeiten Videos (mit Musik) zählen, wundert es nicht, dass die Grenzen zwischen Medien und Gattungstraditionen hier in neuartiger Weise synästhetisch verfließen und die Künstlerin so zur Schöpferin eines Gesamtkunstwerks wird.

Einen besonders ungewöhnlichen Coup landete sie mit Distress, das eine Kassettenaufnahme für Altsaxophon mit Violine und Violoncello vorstellt, „die über mehrere Jahre Feuchtigkeit und wechselnden Temperaturen ausgesetzt wurde„, jedoch aus dem Jahr 2006 datiert. Die so erzeugte Patina auf dem Band dürfte für interessante Tonausfälle, Verzerrungen und willkürlich wirkendes Knacken und Rauschen gesorgt haben. Wir fragen uns jedoch: Wo ist eine Kopie dieser Aufnahme zu bekommen? Recht experimentell und mindestens ebenso originell klingt übrigens schon das Stück Photon Ecstasy, das mit Posaune, Xylophon und Klavier vom Occasional Noise Trio eingespielt wurde und auf der persönlichen Website der Komponistin angesteuert werden kann. Watertable verarbeitet Alltagsgeräusche mit einfließendem Wasser, die aber nur als Material für sich metrisch und rhythmisch wandelnde Klangspektren anhand einer Installation zu betrachten sind.
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