Die Werke dieser Komponistin wirken eher unkonventionell, vor allem, wenn man bedenkt, dass es ihr darum geht, eine mögliche zeitlineare Erzählprogression von Klängen zu umgehen. Was nicht bedeutet, dass sie sich stattdessen auf eine minimalistische oder auf statischen Hörereignissen beruhende Position zurückziehen würde. Die in London geborene und an der Universität Edinburgh in Violine und Komposition ausgebildete Tonkünstlerin Rebecca Saunders hatte schon immer ein Faible auch für Instrumentenklangfarben: Die Trompete spielte beispielsweise in ihrem ersten größeren Stück Behind the velvet curtain (1991/92) eine tragende Rolle, in dem als Kammersolisten noch Klavier, Harfe und Cello auftreten. Im Jahr 2004 schrieb sie für den niederländischen Trompeter Marco Blaauw ein mit seinem Nachnamen identisches Stück für die nicht alltägliche Doppelschalltrichtertrompete.

Um eine Spannweite von individuellen Klangspektren und -interferenzen geht es gleichermaßen in vermilion (2003) für Klarinette, Violoncello und Elektrogitarre. Letztere kommt aber schon in Dichroic Seventeen (1996) zum Einsatz, wo sie Klavier, zwei Schlagzeugbatterien und zwei Kontrabässe ergänzt. Ebenso kontrastiv wie stimmig in seiner Zusammensetzung erscheint auch Stirrings Still, ein von dem Ensemble Musikfabrik 2008 bei Wergo eingespieltes Kammermusikwerk für Altflöte, Oboe, A-Klarinette. Farbstudien widmete sich die Wahlberlinerin, die auch von Wolfgang Rihm unterrichtet worden war, über mehrere Jahre, sowohl in Crimson für Klavier (2005) als auch mit chroma IX für Kammerensembles in verschiedenen Räumen (2003-08). Auf den Donaueschinger Musiktagen 2011 konnte ihre Raumcollage Stasis für 16 Solisten uraufgeführt werden.

Saunders‘ Kombinatorik aus einander gegensätzlichen Grundklängen als Material lebt gerade von der konzertanten Präsentation. Erst kürzlich ergab sich für die Besucher eines Konzerts der Reihe musica viva im Münchener Herkulessaal am 20. Februar die Gelegenheit, die Uraufführung ihres – ebenso auf Marco Blaauw als Solisten zugeschnittenen – neuen Trompetenkonzerts Alba nach Texten von Samuel Beckett mitzuerleben. Der lang gehaltene Spaltton der Trompete in der höchsten Lage, der gleichzeitig nach ihren eigenen Worten aus „weißem Rauschen, Möwengeschrei und Funksignalen“ bestehen zu scheint, fasziniert die Komponistin immer wieder. Diese Vorliebe dokumentiert genauso ein gänzlich anderes, nämlich das eher zerbrechlich wirkende Stück Neither für zwei Doppelschalltrichtertrompeten.
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