Die tanzende Flöte – Brillanter Abend mit Maurice Steger

Um die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft dreht sich alles in Jean-Féry Rebels selten live zu hörender Ballettsymphonie aus dem Jahr 1737. Die stilistische Herkunft des Werks, das besser noch als programmatische Suite zu bezeichnen wäre, hört man ihm leicht an, auch ohne zu wissen, dass Rebel Sohn eines Sängers am Hof Ludwig XIV. war, der von Jean Baptiste Lully persönlich Unterricht in Geige und Komposition erhielt. Die Darstellung des Chaos als „Ouvertüre“ wurde bei der Erstaufführung unterdrückt, da die langgezogenen dissonanten Akkorde dem Ohr der klangempfindlichen Zuhörer – damals jedenfalls – wohl nicht zugemutet werden sollten.

Der Weltstar Maurice Steger war am 8. und 9. Januar 2015 am Theater Erfurt zu erleben (imgresize, Theater Erfurt)

In den drei folgenden Tanzsätzen handelt Rebel die Elemente angefangen bei der Erde ab. Der Gesang der (unsichtbaren) Nachtigallen wurde in der Erfurter Aufführung am Freitagabend zu den kanonisch wetteifernden tirilierenden Violinen und Flöten des Orchesters regelmäßig wiederkehrend eingeblendet, die Caprice am Schluss der zehnsätzigen Suite sah einen weiteren Einsatz des Elements Luft vor und verlangte den Perkussionisten an der Windmaschine.

Der weltbekannte Flötist Maurice Steger war in den Eckteilen des Programms, so auch im Fall der Suite am Dirigentenpult zu erleben – ohne Taktstock mit hohem körperlichen Einsatz gleich einem der auserwählten Tänzer in den Auftritten am Hof von Versailles. Entsprechend verstand er das Orchester mitzureißen und den Werken des Abends sowohl rhythmischen Schwung als auch Glanz zu verleihen. Musikantische Freude, wie sie gerade das Barock kennt, bestimmte den ganzen Konzertabend, vor allem im Hinblick auf das solistische Programm mit Vivaldis Flötenkonzerten, in dem Maurice Steger seine nahezu unerreichbare Virtuosität an zwei Flautino-Instrumenten und an der Blockflöte demonstrierte. Er erwies sich überdies als publikumsnaher sympathischer Weltstar, der in sein Soloprogramm, darunter auch Vivaldis berühmtes Concerto g-Moll La notte, mit einigen witzigen Sätzen selbst einführte.

Antonio Vivaldi, porträtiert von François Morellon la Cave (1725, p.d.)
Antonio Vivaldi, porträtiert von François Morellon la Cave (1725, p.d.)

Dabei vermittelte er durchwegs gute Laune und ließ fast die düsteren Ereignisse von Paris aus den letzten Tagen in den Hintergrund treten, die Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz zu Beginn des Programms in einen Appell an das Miteinander in der Gesellschaft (wie in der symphonischen Musik) in würdiger und geschmackvoller Weise ansprach. Mit allen nur erdenklichen Spiel- und Atemtechniken und bewegter Mimik zeigte sich Maurice Steger auch als humorsprühender Gaukler und Spielmann, der das voll besetzte Parkett und die Ränge ganz in seinen Bann zog und gleichzeitig gestisch und tanzend mitdirigierte. In puncto Satztechnik ähneln sich Vivaldis Konzerte deutlich, doch die Nuancierung durch Orchester und Flöte zeigte sie hier von immer wieder überraschend individueller Seite. Dem Solisten war sein großes Faible für die Musik des Venezianers anzumerken.

Mit der im Konzertsaal heute raren Sinfonia D-Dur La tempesta di Mare des in Mailand im selben Jahr wie Bach und Händel geborenen Carlo Ignacio di Monza eröffnete der Dirigent einen Ausblick in die Frühklassik und insbesondere in diejenigen Satztechniken, die sich zeitgleich zum Schaffen Monzas am Mannheimer Hof ausprägten. Der Schlusssatz Allegro assai ist von erstaunlicher Kürze, wurde aber durch das Philharmonische Orchester Erfurt ebenso brillant realisiert wie die ungleich komplexere polyphone Struktur der vorgehenden Barockwerke.

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