Ähnlich wie Dinora de Carvalho oder Chiquinha Gonzaga war auch die aus Rio de Janeiro stammende Eunice Katunda (1915 – 1990) eine äußerst vielseitige Komponistin, die gleichermaßen als Dirigentin, Pianistin und Hochschullehrerin erfolgreich war, da sie sich in einem Metier bewegte, das für brasilianische Verhältnisse Entfaltungsmöglichkeiten in verschiedene Richtungen bot und nicht nur wie in Europa häufig eine musikalisch begabte Frau auf den Part der Ausführenden verwies.

Katundas Mutter Maria Grauben Bomilcar war eine Kunstmalerin aus Ceara, was diese aber nicht daran hinderte, ihrer Tochter schon im Alter von fünf Jahren Klavierunterricht erteilen zu lassen – bei keiner geringeren als Mima Oswald, der Tochter des Komponisten Henrique Oswald. Später wurde sie unter anderem von Camargo Guarnieri unterrichtet. Sie heiratete 1934 den Mathematiker Oscar Catunda, mit dem sie in São Paulo lebte. 1946 kehrte die Pianistin nach Rio de Janeiro zurück, um sich dort bei Hans-Joachim Köllreuter der Zwölftontechnik zu widmen, die von da an ihr Schaffen prägte. Die Ausübung war eng mit ihren Beziehungen zu dessen Gruppierung Musica Viva verknüpft.
In diesem Zusammenhang unternahm sie auch eine Europareise mit Ziel Italien, wo sie nicht nur von Hermann Scherben, sondern auch von Luigi Nono und Bruno Maderna beeinflusst wurde. Da sie aber mit dem militanten Flügel der kommunistischen Partei Brasiliens schon seit 1936 konspirierte, distanzierte sie sich – um für den sozialistischen Realismus (in der Kunst) einzutreten – Ende 1948 wieder von ihren italienischen Impulsgebern, deren Kunstauffassung ihr zu philosophisch begründet erschien. In den 1950er Jahren engagierte sie sich in Salvador da Bahia mit ihrer Partei für die Einwanderung von Arbeitern in das Stadtviertel „Liberdade“. Ihre Kunst war in dieser Zeit überwiegend politisch motiviert, auch in ihrer Konzeption von experimenteller Musik.
1949 komponierte Katunda eine Hommage an Schönberg für Klarinette, Viola, Cello und Klavier, 1955 ein Klavierkonzert. Ende der 1950er Jahre neigte sie auch in ihrem Schaffen, sicher bedingt durch die bahianischen Kontakte mit schwarzafrikanischen Kulturen, immer mehr der afrobrasilianischen Musik zu, wobei sie von Pierre Verger unterstützt wurde. In ihrem Werk äußerte sich dies etwa in Kompositionen wie der Sonata de louvação für Klavier (1960).
Der Einmarsch der Sowjetunion in Ungarn 1956 liess sie von der kommunistischen Idee Abstand nehmen; im Protest trat sie aus der PCB aus. Ihre neue pazifistische Einstellung spiegelte sich etwa in der Kantate do soldado morte (1965) für Chor und kleines Orchester und in der Cantata dos marinheiros (1975). Leider sind CD-Aufnahmen ihres Werks äußerst rar, eine Wiederentdeckung steht noch aus.
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