Klanglich voluminöses Konzert mit dem Lübecker Kammerchor

Unter dem sicher gerade im Oktober des Kirchenjahrs sinnigen Motto „Zweifel und Zuversicht“ unter Leitung von Andreas Krohn gastierte der hochprofessionell agierende Lübecker Kammerchor in Luthers erster geistlicher Heimat, in der Erfurter Augustinerkirche unweit der Klosterzelle des Reformators. Zwar waren keine Werke genau aus seiner Zeit, dem 15. Jahrhundert zu hören, jedoch aus dem folgenden anglikanischen Umfeld, das direkt an die Reformation anknüpfte. Damit war der Sprung zu einem modernen Chorwerk wie dem „Agnus Dei“ des avantgardistischen Komponisten Krzysztof Penderecki (geb. 1933) natürlich umso grösser, doch die geschickte Zusammenstellung ließ musikstilistische Fragen hinter dem thematischen Band an zweite Stelle treten.

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Der Lübecker Kammerchor auf Tourneestation in Erfurt (H.-P. Mederer)

So kamen nicht nur diejenigen Zuhörer, unter ihnen LKMD Dietrich Ehrenwerth, auf ihre Kosten, die zu einem Kirchenkonzert zum Zweck meditativer Versenkung gekommen sein mochten, sondern auch alle, die ein breites Spektrum geistlicher Musik erwartet hatten. Um den Eigenanteil für die endgültige Restauration der von 1310 stammenden vielfarbigen Kirchenfenster aufbringen zu können, wurde die Veranstaltung als Benefizkonzert gegeben, das den Besuchern eine Spende am Ausgang ermöglichte. Es müssen nicht immer die werblich mit großem Aufwand angepriesenen Konzerte sein, die eine qualitativ wie in ihrer Auswahl so gelungene Aufführung wie an diesem 16. Oktober bieten.

Das Motto, das vor allem auf das überzeitlich gültige Schwanken des Menschen zwischen Resignation und Hoffen zielt, wurde mit J.S. Bachs Motette „Komm, Jesu, komm“ in ein- und demselben Werk vorangestellt, der vierte und letzte Teil des Abends bildete mit der freudig jubelnden Bach-Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“ also gleichsam die Klammer. Sowohl bei dem von an- und abschwellender dissonanter Stimmführung geprägten Agnus Dei Pendereckis als auch im Falle der teils höchst polyphonen Motette „Videte miraculum“ von Thomas Tallis (1505 – 1585) aus der Tudor-Zeit stand der Chor nicht unmittelbar vor dem Publikum, sondern ganz hinten am Altar, um die volle Raumwirkung des Kirchenschiffs bei den von einer größeren dynamischen Spannbreite bestimmten Werken zu erzielen.

Eine Überraschung boten die solistischen Partien in der abschließenden Bach-Motette, die auch die ansonsten für die Fülle des Raums etwas zurückhaltend musizierenden Instrumentalisten an  Truhenorgel und Barockcello mit belebten Sechzehntelfiguren initiierten. Das Dirigat Andreas Krohns passte mit seinem häufig nur andeutenden Gestus ideal zu den Werken. Dirigent wie Organist und Cellist ergänzten in den Mittelteilen des Konzerts auch den Chor mit ihren Stimmen. Ein mehr als erfüllter Konzertabend, an dem als Zugabe ein ebenso unter dem Titel „Zweifel und Zuversicht“ gewähltes romantisches Chorstück zu hören war.

 

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