War der Kulturradikalismus eigentlich ein gesamteuropäisches Phänomen? Jedenfalls wurde der Begriff erstmals von dem dänischen Literaturprofessor Elias Bredsdorff in einer Ausgabe der Zeitschrift Politiken (1956) aufgebracht. Danach bezeichnet er eine neue Haltung der sozialen Verantwortung in Verbindung mit einer internationalen Ausrichtung. Von anderer Seite wird die Auseinandersetzung mit der Romantik in den Kopenhagener Vorlesungen des Literaturhistorikers Georg Brandes genannt, die unter anderem den Anlass dazu gab, der Epoche später den Stempel „Der Moderne Durchbruch“ aufzuprägen.

Als Komponist, der die Ästhetik des Kulturradikalismus teilte, ist vor allem Bernhard Anders Christensen (1906 – 2004) zu erwähnen. Der gleichzeitig als Organist und Musikpädagoge bedeutende Musikwissenschaftler wirkte zunächst in der Schlosskirche von Christiansborg, später, nach dem Ende des 2. Weltkriegs, an der Kirche von Vangede. Gleichzeitig engagierte er sich als Musiklehrer für junge Jazz-Begeisterte, später in einer Frühförderungseinrichtung; in diesem Bereich arbeitete er dann als Lehrer weiter.
Der Autodidakt interessierte sich zunächst für Carl Nielsen und sein Umfeld, beschäftigte sich aber insbesondere mit den zeitgenössischen Kompositionen von Bartok und Strawinsky. Wie andere vertiefte er sich neben breit angelegten Recherchen in folkloristischer Musik in fremde, damals noch als „primitiv“ bezeichnete Musikkulturen. Zusammen mit Sven Møller Kristensen schrieb er eine Reihe deutlich vom Jazz geprägte Stücke, die schon bald sehr beliebt wurden und auch seine späteren Werke aus der Rückschau in den Hintergrund rückten. Unter anderem war er als Arrangeur für Aufführungen von Erik Tuxens Jazzorchester tätig und komponierte Filmmusik, zum Beispiel zu Poul Henningsens Danmarksfilm. Seine Concertant Suite (1957) und Vesterhavet (1957) sind noch heute in den Konzertprogrammen zu finden.
Natürlich handelte es sich bei der Rezeption kulturradikaler Ansätze um kein isoliert dänisches Phänomen: In Norwegen war es etwa der Jurist und Interimsredakteur Håkon Løken (1859 – 1923), der während seiner Studienzeit und als Journalist in akademischen Kreisen verkehrte, die einem europäischen Kulturradikalismus anhingen, gleichzeitig aber eine demokratische und nationale Politik vertraten.
Lohnend und hoffentlich auch einmal in englischer oder deutscher Übersetzung zum Thema zu lesen: Michael Fjeldsøes umfassendes Buch Kulturradikalismens musik. Kopenhagen: Museum Tusculanums Forlag 2013 (ISBN 978-87-635-3894-7).
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