
Um es vorweg zu sagen: Der schöpferisch tätigen Pianistin, um die es hier geht, war die professionell betriebene Musik nicht in die Wiege gelegt: Der Vater, ein Industrieller, betätigte sich lediglich als Amateur und leitete die Falu Musikgesellschaft, ihre Mutter kannte zahlreiche Künstler und Musiker, da sie einen Salon führte, in dem sich prominente Vertreter diverser Künste trafen, ähnlich demjenigen von Rahel Varnhagen in Berlin. Die Palette an Fächern, die Helena Munktell am Stockholmer Institut belegt, liest sich beeindruckend: Zur privaten Ausbildung der ebenso engagierten wie begabten Studentin gehören Operngesang, Klavier, Komposition, Instrumentation und Kontrapunkt. Am hauptstädtischen Konservatorium lernte sie unter anderem bei Ludvig Norman, selbst bedeutender Komponist seiner Epoche und Joseph Dente, zudem in Wien bei Julius Epstein.

Praktisch trieb die unaufhaltsam fleißige Newcomerin eine Karriere als virtuose Pianistin voran, trat aber auch in der Oper auf. Mit dem Schreiben solistischer, vokaler und Kammermusik und ihrer Gesangslaufbahn gab sie sich aber nicht zufrieden. Für das Kunstlied Sof wurde sie vom Rezensenten geehrt, indem er ihr Melodik „reinsten Wassers“ bescheinigte und somit auch die konsequente Individualität ihrer Satzweise hervorhob.

1889 machte sie mit der einaktigen komischen Oper I Firenze auf sich aufmerksam, zu der ihr ehemaliger Professor für Instrumentation Dente die Verteilung der Orchesterstimmen verantwortete. Sie soll damit die erste Frau gewesen sein, die in Schweden eine Oper geschaffen habe. Zurückgekehrt von weiteren Studien in Paris bei Vincent d’Indy und Benjamin Godard begann Helena Munktell zu Anfang der 1890er Jahre für Orchester zu komponieren, woraus sowohl Programmmusik wie die Symphonische Dichtung Bränningar (Brechende Wellen) als auch eine ausgedehnte Suite für großes Orchester hervorgingen.

Darin ähnlich der irischen Komponistin Augusta Holmès verkehrte Munktell, die in einem elaborierten spätromantischen Stil schrieb, mit großem Selbstbewusstsein als schöpferische Frau in den netzwerkgeprägten Männergesellschaften der Musikelite in Stockholm wie Paris. Dennoch rückte sie erst viele Jahre später, 1915, in die Königlich Schwedische Musikakademie auf. Das Orchesterwerk Dalsvit – gewidmet der Landschaft ihrer Heimat Dalarna – erlebte seine Uraufführung 1910 in Paris. Kein weniger Bedeutender als George Enescu führte Munktells in Teilen expressionistisch anmutende Violinsonate Es-Dur auf, wenig später wurde sie in Berlin gespielt. Neben solistischer, orchestraler und Kammermusik entstanden zahlreiche Choräle, etliche davon mit Klavier- oder Orgelbegleitung. Die Symphonische Dichtung mit dem sehr romantisch gedachten Sujet Valborgsmessoeld (Die Walpurgisnacht) komponierte sie nach 1910. Im Jahr 1918 erfolgte ihre persönliche Gründung der Schwedischen Tonsetzervereinigung. Die vorerst erfolgreichste Komponistin Schwedens litt im Alter an einer Augenkrankheit; sie verstarb 1919.
Album der Woche 2021: Kammermusik von Helena Munktell
Literatur u.a.:
Nettelbladt, Anders: Reception av Helena Munktells kompositioner : Konserter och musikrecensioner 1885–1921. Stockholm University, Institut für Kultur und Ästhetik 2020.