Sie eröffneten die vierundzwanzig Ereignisse des Konzertreigens am 7. September in der wieder eröffneten Nachtkantine als Hort für Kulturereignisse im Münchner Werksviertel: Izabella Effenberg und Esther Kaiser, deren Repertoire ebenso ungewöhnlich ist wie nach europäischen Maßstäben das von ihnen gewählte Instrumentarium. Auch bei ihren neuesten Stücken spielt die Improvisation „im rechten Moment“ ebenso eine Rolle wie das jeweilige Gesamtkonzept. Effenberg übernimmt in ihren Konzerten gerne zwischenzeitlich den virtuosen Part – wie auch diesmal.

(H.-P. Mederer, Klangfest 2024, 7.9.2024)

Vorhergegangen war um 13 Uhr eine Podiumsdiskussion mit künstlerisch aktiven Kulturträgern und Vertretern der Tonträgerindustrie über die Zukunft der Bereitstellung von Musik, im Streaming wie auch als physisches Medium. Die Präsenz von Klanggebilden scheint derzeit Priorität zu haben vor ihrer Konservierung in einem haptisch verfügbaren Medium. Dies ist sicher wünschenswert in einem Zeitalter, in dem zwei den Jungen vorhergehende Generationen auch im Bereich der Verfügbarkeit kultureller Repräsentationen einen überdimensionalen Berg von Plastik und Metall hinterlassen haben. Insofern wäre die Entmaterialisierung der Umwelt momentan das Vorrangige, hat MP3 einen Nachhaltigkeitsvorteil gegenüber dem allerdings klanglich noch immer deutlich besseren wav-Format der traditionellen Audio-CD.

Nichtsdestotrotz war auch zum Klangfest 2024 das Objekt CD neben der Vinylschallplatte auf Informationsständen greifbar und käuflich. Die „alten“ Medien sind eben visuell exponiert im Vergleich zu einer „abstrakten“ gestreamten Vorhaltung von Musik. Das Spektrum der Konzertreihe selbst in drei verschiedenen Hallen auf dem Gelände war über den ganze Nachmittag und Abend bis kurz vor 22 Uhr bemerkenswert: Von freien und etablierteren Jazzstilen über World Music spezifischen Zuschnitts bis zum Hip Hop und Grunge Rock war alles vertreten, was in den Szenen in und um München herum und von weiter entfernt lokalisierten einzelnen Künstlern Rang und Namen hat.

Eigentlich war die Multiinstrumentalistin Izabella Effenberg, die sich in München als einfühlsame Spielerin der Kalimba indischer Provenienz erwies, auch einmal Karatekämpferin, die in einer der Spielarten dieses Sports in ihrer Heimat Polen sogar eine hohe Auszeichnung, gewissermaßen den „schwarzen Gürtel“ erworben hatte. Sie erwarb nach Auftritten und Studien in Nürnberg den Master in der Klasse Jazz Mallet und ist seither in den denkbar verschiedensten Kategorien und Unterformaten dieser Jazzform aufgetreten, etwa mit Leszek Sadlo, in Deutschland unter vielen anderen mit Maike Hilbig und Peter Fulda. Mit Yumi Ito zusammen gestaltete sie 2020 Stardust Chrystals. Ihr Instrument des sommerlichen Septembernachmittags am diesjährigen 7. September war die Kalimba, ein im Grunde leichter als eine Klaviertastatur zu erlernende Kalimba, obwohl die in den zurückliegenden Jahren überwiegend als Vibraphonistin, daneben auch als Glasharfenistin Erfolge feierte.

Izabella Effenbergs Partnerin war zum Auftritt in der legendären, da auch schon um 1995 bekannten Nachtkantine Esther Kaiser, die sang, selbst am Schlagwerk und mit der kleineren Form der Kalimba zu hören war und das aktuelle Programm moderierte. Persönlich machten sie anlässlich der Jazz Ahead in Bremen 2023 miteinander Bekanntschaft und treten seither zusammen auf.


Die Entstehung ihres Albums WATER, mit dem die studierte Freiburger Psychologin und Berliner Jazzsängerin reüssierte, liegt noch gar nicht weit zurück. Wie Izabella Effenberg sucht sie nach immer neuen Ausdrucksmöglichkeiten, auch abseits einer konstruierten Lyrik. Das Erproben von Tonmischungen aus Gefühlslagen heraus bestimmt ebenso ihre Kreativität. Esther Kaiser ist eine gefragte, immer präsente Allround-Stimme und lehrt nicht zuletzt infolge ihres profunden Verständnisses der unterschiedlichsten Stile, die oft auch mit World Music im engeren und weiteren Sinn zu tun haben, Gesang in den Sparten Jazz, Rock und Pop für Lehramtsstudenten an der Hochschule Carl Maria von Weber.
Was das Publikum am Nachmittag dieses frühen warmen Septembersamstags am meisten beeindruckt haben dürfte: der lyrische Charakter der Performance und die „subkutane“ Einbringung individuell improvisierter Klangfolgen in eine offene Konzeption.