Das Münchner Schulmusik Orchester der HMTM vor seinem Sommerauftritt am 8. Juli 2024 um 19 Uhr herum ... (H.-P. Mederer)

Dänischer König in der Orchestersuite

Jean Sibelius beschäftigte sich, abgesehen von bestimmten Kammermusik- und Klavierwerken, fast sein ganzes Komponistendasein hindurch – bei allem Auf und Ab an Erfolgen – mit programmatischer Musik, wovon auf den vordersten Plätzen Schauspielmusiken wie Tapiola, Pohjolas Tochter, En Saga, Die Okeaniden und Der Barde zu nennen sind. Ganz im Zentrum seines Interesses stand die nordische Mythologie, doch war auch er lange Zeit von inzidentiell unterschiedlichen Auftragswerken abhängig. So kam es auch vor, dass er sich musikalisch mit einem faktenbasierten historischen Stoff auseinandersetzte.

Mehr als nur ein musikalisches Porträt König Christian II. von Dänemark und Vizekönig von Norwegen ist Jean Sibelius‘ Suite op. 27, die ebenso die charakteristische Form von Musette, Nocturne und Serenade berücksichtigt. (Lucas Cranach, zwischen 1523 und 1530, Museum der bildenden Künste Leipzig, CC-Liz.)
Der angehende Dirigent Jonas Bohlein übernahm am 8. Juli den ersten Satz ‚Nocturne‘ von Jean Sibelius‘ Suite ‚König Kristian II.‘ und erhielt reichen Applaus aus dem bis auf den letzten Platz besetzten Saal in der Münchner Luisenstraße. (H.-P. Mederer)

Die strukturell äußerst vielseitige Orchestersuite Kuningas Kristian II über den in bewegter Zeit lebenden, politisch umtriebigen und zuletzt festgesetzten dänischen und norwegischen König (1481 – 1559), der große Sympathien für Luthers Protestantismus hegte und für dessen Konfession vehement eintrat, stand zur Wahl für das große sommerliche Sinfoniekonzert der Schulmusikabteilung an der Musikhochschule München. Sibelius dirigierte im übrigen die Uraufführung am 24. Februar 1898 in Helsinki selbst.

Die eher selten (ein)gespielte, auf dem Schauspiel des gleichnamigen Schauspiels des Skandinaviendeutschen Adolf Paul (1863 – 1943) beruhende Komposition ist für die klassischen Gruppen eines Orchesters per se klingender Anschauungsunterricht in Instrumentation, ebenso heterogen aber in ihren Ausdrucksformen, die jeden Satz zu etwas Besonderem machen. Von einer Suite im Sinne des Hoch- und Spätbarock kann freilich keine Rede sein: Es handelt sich mit einer Ausnahme, einer Musette, nicht um Tanzcharaktere, sondern um ein Kaleidoskop überwiegend aus „modernen“ oder populären Satztypen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestehend. John Field und Frédéric Chopin waren Jahrzehnte zuvor die Protagonisten der neuen Gattung des Nocturne gewesen, aber auch die Elegie als musikalische Form beginnt seit der Frühromantik eine Rolle zu spielen. Ebenso gilt dies für die Suitenteile Serenade und Ballade; letztere war im Zuge der romantischen Mittelalter-Rezeption in historistischer Epoche ebenso beim Publikum beliebt.

Jean Sibelius zwischen 1898 und 1900, zur Zeit der ersten Aufführung der Suite op. 27 (Daniel Nyblin, CC-Liz.)

Der Auftritt der einzelnen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten im Ensemble war an diesem Abend des 8. Juli 2024 in der Spielstätte Reaktorhalle unweit des Lenbach-Hauses nicht nur technischer Prüfstein: Die Ausgestaltung oblag den neun weiblichen und männlichen angehenden Dirigenten unter der Ägide von Lancelot Fuhry an der Hochschule, von denen die meisten einen Satz übernahmen, lediglich Bartholomäus Schlüter leitete durch Elegie und Musette und die flexibel agierende Jessica Burkhardt versah einmal den Dienst an der Viola, dann stand sie am Pult und dirigierte SibeliusSerenade als vierten Satz des Opus 27.

Das Schulmusik Orchester der HMTM lud am 8. Juli dieses Jahres zum
Sommerkonzert. (H.-P. Mederer)

Zum zweiten Teil dieses Montagabends erprobten sich die fünf weiteren angehenden Dirigenten, darunter nur ein männlicher Student, an der in den Konzertprogrammen eher gängigen 3. Symphonie D-Dur op. 29 von Peter Tschaikowsky. An Präzision wie werkgerechtem Einsatz ragten vor allem die Fagottisten Bettina Loth und Jakob Kuen sowie die Hörnersektion mit Theresa Ulbricht, Enno Adam, Franz Himpsl und Karina Wahl heraus.