Nicht nur „1“ musikalischer Spaß

Zur Moderation kam am 11. Februar 2024 die traditionelle kleine Version der „Quetschn“ zum Einsatz (Zero Gravity, 18.01.2010, CC-Liz./GNU-Liz.).

Nicht jeder mag auf die Idee kommen, ehemalige Kolleginnen und Kollegen eines weithin populären Symphonieorchesters zu einer Sondermatinee zu rekrutieren: Christoph Well aber konnte dies in seinem gegenwärtig zweiten Berufsleben, wenn man so will, nicht zuletzt dank seiner kreativen Energie, Vielseitigkeit und seines flüssigen Humors. So stand kurz vor Faschingsende an einem Sonntag für Spätaufsteher, anders gesagt zu 11 Uhr, in den Münchner Kammerspielen eine bunte Mixtur aus ernst und weniger ernst gemeintem Ensemblerepertoire auf dem Programm. Unter Augenzwinkern lässt sich verraten, dass die besseren vorderen Plätze des Saals weniger als die hinteren kosteten, der verdrehten Welt zum Höhepunkt der närrischen Zeit geschuldet, was mit Wohlwollen seitens vieler Besucher aufgenommen worden sein dürfte.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Victoria-Margasyuk-398x800.jpg
Brillierte insbesondere mit Dvořáks „amerikanischem“ Streichquartett F-Dur, op. 96.: Geigerin Victoria Margasyuk, (H.-P. Mederer)

Los ging es für die sieben, von Christoph Well auserlesenen Münchner Philharmoniker mit dem wörtlich zu nehmenden und im Tempo flotten Beitrag Ein musikalischer Spaß von Wunderkind W.A. Mozart, der sich, frühestbegabt, solche „Spassetteln“ eben leisten durfte; sie bereichern heute immerhin das Faschings- und Silvesterprogramm. Mit lässiger Geste kürte Konzertmeister Well Klarinettistin Alexandra Gruber und den apulischen Fagottisten Raffaele Giannotti zu Faschingsprinzessin und Faschingsprinz, aristokratengemäßer Handkuss aus dem Knien inbegriffen. Ganz irisch kam dem Publikum nach Richard Strauss‘ amüsantem Duett-Concertino in F-Dur für Klarinette, Fagott und Streicher mit einem Schuss Hyperpräsenz der hohen Streicher Morisson’s Jig zu Gehör und entfaltete zunehmend sein tänzerische Natur. Victoria Margasyuk und Traudel Reich zauberten unmittelbar dahinter auch einen eindringlich ausmusizierten Freilach-Klezmer aus ihren Violinen.

Christoph Well, Solotrompeter der Münchner Phiharmoniker, anlässlich einer Hommage für Wastl Fanderl im Münchner Volkstheater (Usien, bearbeitet von Lou Gruber, 29.3.2013, CC-Liz.)

Eine originelle Idee der tendenziell jungen Musiker oder Wells selbst war es, Gioacchino Antonio Rossinis Arie Ecco ridente in ciel aus dem Barbiere di Sevilla in einer Version für Cello und Fagott durch Sissy Schmidhuber und Raffaele Giannotti vortragen zu lassen – klangfarblich betrachtet durchaus eine berückende Lösung. Als interpretatorisches Herzstück der Matinee, das lässt sich wohl zu Recht behaupten, erklang unmittelbar im Anschluss das so genannte Amerikanische Quartett F-Dur von Antonín Dvořák, inspiriert von dessen musikalisch folgenreichem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten. Die Bögen wurden von Bratschist Wolfgang Berg, Victoria Margasyuk und Traudel Reich mit angemessener Hingabe ausmusiziert und ausgekostet, die im Forte-Bereich liegende „glühende“ Dynamik tat ihr übriges, um die Zuhörer zu gewinnen.

Gioacchino Rossini, ca. 1815 (Academia nazionale di Santa Cecilia, IT p.d.)

Selbstbewusst bezeichnet der Konzertmeister des Vormittags Mozarts Hornkonzert in Es-Dur als Alphornkonzert, denn ebendieses kam zum Einsatz, scheinbar mühelos und mit einem artigen „Schlenker“ am Ende interpretiert von Well als Solisten. Für die ersten Reihen vorne galt seine Devise, doch bitte die Hörgeräte auszuschalten, denn das aberlange Blasinstrument entwickelt ein beachtliches Phänomen und ragt deshalb fast über den Bühnenrand. Bewundernswerte Virtuosität legte Kontrabasssolist Alexander Weiskopf hin: Denn der Ambitus in der Fantasie über Bellinis ‚La Somnambula vom ehemaligen großen Maestro des Instruments, Giovanni Bottesini, verlangt der linken Hand des Spielers irrwitzig schnelle Lagen- und Saitenwechsel ab. Deshalb galt ihm wohl der kaum mehr abschwellende Applaus der Zuhörerschaft.

von links nach rechts: Victoria Margasyuk, Traudel Reich, Violinen; Wolfgang Berg, Viola; Sissy Schmidhuber, Violoncello; Alexander Weiskopf, Kontrabass; Christoph Well, Trompete, Blockflöte, Gitarre, Alphorn und Akkordeon, hier mit dem Waldhorn; Alexandra Gruber, Klarinette und Blockflöte (H.-P. Mederer)
Stofferl Well weiß, auch ohne Mozart um Erlaubnis bitten zu können, das Horn durchs Alphorn zu ersetzen … (H.-P. Mederer)

Astor Piazzollas bekanntes Stück Oblivion ertönte in einer Version für Streichquintett, während Alexandra Gruber und Christoph Well auf die Blockflöte kamen und mit Mozarts Kegelduetten und seinem Hochzeitsmarsch eins daraufsetzten. Der kammermusikalische Kreis schloss sich mit dem Allegro-Satz aus Rossinis Sonata Nr. 3 für Streichquartett. Am Ende, besser noch: vor der Zugabe, durfte allseits vertrautes Volksmusikalisches, bierzeltgeeignet, nicht fehlen und wurde süffig zelebriert, seinem Ort in den Brauhäusern entsprechend.

Niemand musste sich bemühen, seine Brille aus dem Futteral zu holen, denn Gstanzl-Moderator Well deklarierte in schiefen Versen, wie sie, distanziert betrachtet, wohl jemandem unterlaufen können, der über den Durst getrunken hat, den Fortgang des Programms. Richtig dick kam es im zweiten Teil der am Stück musizierten Matinee für den Vorsitzenden einer in Bayern mittlerweile etablierten Partei, der im ausgedehnten Rahmen des bevorstehenden Politiker-„Derbleckens“ auf dem Nockherberg am Aschermittwoch … Die bissige Satire enthält einen auf Silbenrepetition angelegten Refrain, den auf Wunsch des Moderators das Publikum übernahm. Was den Rahmen des Konzerts anging, so hatte sowohl am Anfang als auch am Ende die Möglichkeit, seine Leidenschaft für die Trompete zum Ausdruck zu bringen, in Gestalt etwa eines Konzerts nach Wilhelm Friedemann Bach, Prosito, in dem auch Klarinette, Fagott und Streicher zur Geltung kommen.