
Beim Tangentenklavier handelt es sich, wenn man seine Klangerzeugung betrachtet, um eine Kombination aus der Mechanik des Clavichords, des Cembalos und des Hammerklaviers, das Franz Jacob Späth und seinem Schwiegersohn Christoph Friedrich Schmahl aus Regensburg in der gesamten so genannten Sattelzeit, genauer: zwischen 1751 und 1812 bauten.
Eine kleine lederbedeckte Holzleiste, die Tangente, wird per Tastendruck über Zwischenglieder, Treiber oder Stößer genannt, gegen die Saite geschleudert, anders als bei den Vorläufern des Klaviers in diesem Zeitraum: Bei diesen schlägt bekanntlich ein Hämmerchen die Saite an. Auf dem Endstück des Tastenhebels befindet sich jeweils eine zweite Tangente, die den Klang dämpft. Der klirrende Ton des Cembalos wird damit weitgehend unterdrückt, vielmehr erzeugt der Anschlag eine deutlich hörbare Vibration. Späth entwickelte die Mechanik bis 1770 weiter, allerdings wurde die Form erst 1791 nach seinem wesentlichen unterscheidenden Bauteil tatsächlich als Tangentenklavier oder -flügel bezeichnet.

Ist diese eigenartige, aus Süddeutschland stammende Sonderentwicklung heute nur im Museum zu sehen oder wird damit Musik noch an die Öffentlichkeit getragen? Erst im August 2012 erklang vor einem Publikum erstmals ein historisches, über 200 Jahre altes Tangentenklavier. Im Grunde eignet sich als Repertoire jegliche solistische Literatur und Kammermusik mit einem besaiteten Tasteninstrument zwischen der Epoche der Empfindsamkeit und der frühen Wiener Klassik.

So bevorzugt Alexei Lubimov etwa in seinen konzertanten Interpretationen für die Sonaten Carl Philipp Emanuel Bachs dieses Instrument. Miklos Spányi spielte die Sonaten und Menuette des Augsburger Musikers Johann Gottfried Eckard (1753 – 1809) ein, dem ersten übrigens, der Solo-Sonaten für „moderne“ Tasteninstrumente konzipierte und in Paris Erfolge mit seinen Kompositionen und Auftritten erzielte. W.A. Mozart sprach sich lobend über dessen Klavierwerke aus, die „Sinn und Herz mit Vernunft“ vereinten. Im Mai 2005 brillierte Spányi auf den Regensburger Tagen Alter Musik mit den Cembalokonzerten von C.P.E. Bach im Kreis der Musiker des Budapester Concerto Armonico. In der Woche vom 21. bis 28. August 2023 spielte zuletzt Jörg Halubek am Tangentenklavier, zusammen mit seiner Violinpartnerin Leila Schayegh.