Many Moons – many sounds

World Music Jazz im Münchner Stadtteilkulturzentrum Luise am Freitagabend: Zwischen dem „Substanz“, einer der ersten deutschen Foren für Poetry Slam und dem neuen Standort des Volkstheaters liegt das vor kurzem eröffnete Haus für Kunst und Kultur, das über ein Netzwerk mit den anliegenden Vereinsorten, Initiativen und Servicezentren an der Grenze der Ludwigvorstadt zum Stadtteil Sendling funktioniert. Luise bietet sowohl Kindern, als auch Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren Kulturprogramme verschiedener Art, vom kreativen Basteln über Tanz bis zu Theater und Konzert.

Viel Applaus vom und zwei Zugaben für das Publikum erhielten Many Moons (Luise Kulturzentrum, 27.10.2023, H.-P. Mederer)

Gestern Abend nun öffnete der große Saal, der auch wegen seiner räumlichen Höhe für musikalische und dramatische Großereignisse akustisch bestens geeignet ist. Many Moons touren in und um München und weiter weg herum und waren mit einem in der Tat bunten Programm im Gepäck gekommen, das sich im ebenso vielseitigen Equipment spiegelte: Neben den traditionelleren Jazzinstrumenten machte Many Moons vom südamerikanischen Schlagwerk reichlich Gebrauch, dazu ein afrikanischer Musikbogen mit dem besonderen Resonanzkörper des Kalebassen-Kürbis sowie eine arabische Laute. Gospel und Jazz trafen sich im ersten Teil zu einer großen Session, in deren Mittelpunkt ein Frauen- und Männerchor stand. Aus ihren Reihen brachte sich ein Sänger zudem mit einem E-Gitarren-Solo ein.

Antônio Carlos Jobim 1968 (links) mit Chico Buarque beim Festival Internacional da Canção Popular (BR_RJANRIO_PH_0_FOT_26926_021, BR p.d.)

Weltmusik im weitesten Sinn wurde in ausgelassener Bühnenstimmung und abwechslungsreicher Form geboten: Eine ausladende Hommage des brasilianischen Komponisten Antônio Carlos Jobim an den Bossa Nova, gewidmet Rio de Janeiros Hausberg Corcovado, war ebenso zu hören wie ein bekannter Evergreen von Miles Davis und zwei ohrwurmträchtige Kompositionen von Martin Seeliger, der sowohl das Saxophon als auch die Traversflöte einsetzte, etwa einen Wüstenritt auf der Sinai-Halbinsel malte, zu der sich der in München immer wieder auftretende irakische Oud-Spieler Layt Abdul Ameer gesellte. Der special guest des Abends trug zum imaginierten vorderorientalischen Kolorit mit seinen arabischen Melismen zur Originalität des Stücks bei.

Edwin Starr, 1968 (BR p.d.)

Zur Besinnung angesichts zweier aktueller Brandherde auf dieser Welt trug das für diverses Schlagwerk, Jazzcombo und Oud eingerichtete, fundamental gesellschaftskritische Soulstück War – what is it good for? Absolutely nothing des während der Zeit des Vietnamkriegs in den USA aktiv gewordenen Musikers Edwin Starr bei. Die äußerst versierte Perkussionistin Angelika Vizedum, musikalische Partnerin des Saxophonisten und Sängers Martin Seeliger, stellte hier ihre gerade auch für die Soul-Register besonders bewegliche und expressive Stimme unter Beweis. Zusammen mit dem Pianisten Volker Giesek, dem Schlagzeuger Manfred Blaas und dem Kontrabassisten Olivier Hein luden sie das Publikum noch vor der Pause zum Tanzen vor der Bühne ein, ebenso zum Ende des Konzerts, das nach Seeligers Worten eigentlich mehr als Feier verstanden werden sollte, an der sich alle, Musiker wie Gäste, beteiligten.

Many Moons: Martin Seeliger, Angelika Vizedum, Manfred Blaas, Layt Abdul Ameer (27.10.2023, H.-P. Mederer)

PS: Der Dank für Ihre Initiative zum Konzertbesuch geht an Claudia.
Der Kontrabassist Olivier Hein trat im Konzert ebenso als Solist hervor. (27.10.2023, H.-P. Mederer)

Über der Bühne erschien ein Himmel in wechselnder Beleuchtung und der Mond lächelte und leuchtete halb weiß, halb rosig auf das rasch eingestimmte Publikum herab, das sich von brasilianischer Weltmusik ebenso wie von amerikanischem, deutschem Jazz oder orientalischen Klangbildern mitreißen ließ. Schaffenskern des Duos Vizedum und Seeliger bleibt freilich das eigene Komponieren für den Jazz, seine Freiheiten der Improvisation und des Klangspektrums, die er ihnen lässt.

Aktuelle Aufnahme 2023