Möglicherweise war es dem Jahrhundertwechsel zum 20. geschuldet, dass Gustav Mahler hier eine Kehrtwende vollzog und sich von den bisher bevorzugten Programmen im Gesamtkonzept und in den Einzelsätzen seiner Symphonik wie auch der Kammermusik verabschiedete. Dennoch bleiben Motive, Durchführungsteile und Einfälle in der Orchestration auch bei der zwischen 1901 und 1903 komponierten 5. Symphonie in cis-Moll unberührt. Die individuelle Charakterisierung bezieht sich nun auf einzelne Elemente und Zusammenhänge im Übergang zwischen den Satzpartien. Insofern ist es fraglich, ob es sich tatsächlich um ein rein instrumental erdachtes Orchesterwerk handelt.

Wie in den vorhergehenden Symphonien werden auch hier sperrige, kantige Taktschlüsse, schräge Schlenker und jähe Einbrüche der Tutti nicht vermieden, die dem Ganzen seine Würze durch ironisch historisierende Zitation und Harmonisierung verleihen. Althergebrachten klassischen Mustern widersteht die Faktur der Partitur durch die Verwendung von D-Dur im Mittel- und Finalsatz, während doch die parallele Durtonart hier E-Dur sein müsste. Der nicht zuletzt vom markanten Trompetenklang bestimmte Trauermarsch des Anfangs beinhaltet in nuce eine bewegte dramatisch aufgeladene Passage, die wohl eine Reminiszenz an den Grund für die vorgestellte Trauer darstellen soll. In Folge erscheinen elegische Streicherdurchgänge, teils auch aufblitzende exotische Momente, der tragische Charakter des Ganzen wird immer wieder abgeflacht und aufgelöst.

(Johann Jaritz, 27.6.2006, CC-Liz.)
Schön und mit angemessener Dehnung wie Hingabe widmet sich etwa das Symphonieorchester des Hessischen Rundfunks mit seinem Dirigenten Andrés Orozco-Estrada den verhaltenen und gemächlich fließenden Seitenpassagen. Der häufig eingesetzte Schreitrhythmus eines Marsches hält den Satz als unterschwelliges Programm durch das anapästische Metrum zusammen.
Schwankende Stimmungen mögen manche Zuhörer im 2. Satz a-Moll, der als Furioso wild bewegt ist und „innere Zerrissenheit“ vermittelt, irritieren. Verschiedene Tänze im Dreiertakt repräsentieren weite Strecken im 3. Satz, dem Scherzo. Unter anderem findet sich dort, im ersten Trio, ein beseelter Walzer. Durch seine divergierenden Elemente wirkt der 3. Satz hoch unterhaltsam; in ihm begegnen sich groteske Komik und schmissige Tanzpartien. Ganz und gar gesanglich gibt sich dagegen der 4. Satz in F-Dur. Klaus Schweizer und Arnold Werner-Jensen sahen in der Bezeichnung Rondo für diesen Schluss eine Beziehung zu den von ungetrübter Heiterkeit gekennzeichneten, harmonisch „konfliktfreien“ Finalsätzen der Wiener Klassik.

Betrachtet man dieses so heterogene Orchesterwerk mit seinem immerhin beim Durchhören noch nachvollziehbaren inneren Zusammenhang, so muss seinem Komponisten hier zugestanden werden, dass er auf Abwechslung setzte und verschiedene Techniken in Satzweise, Ausdrucksformen wie Instrumentation schlicht „ausprobieren“ wollte, wie wenn das ganze neue Jahrhundert wie eine Nebelwand vor ihm gestanden hätte und er sich die Wege hinein selbst hätte erdenken müssen …