Entgegen anachronistischen Anmutungen der derzeitigen russischen Politelite existierte eine eigenständige ukrainische Kultur seit mehreren tausend Jahren, angefangen bei der prähistorischen Webergesellschaft in der heutigen Landesmitte. Ebenso wie eine Generation vor ihm Mykola Lysenko pflegte der aus Urasowo im Bezirk von Woronesch gebürtige spätere Musikkritiker, Musikwissenschaftler, Dozent und Komponist Walentyn Kostenko durchaus romantische Vorstellungen von einem freien und selbstständigen Staat, die ihn schließlich sogar an der Vereinigung der revolutionären Komponisten der Ukraine teilhaben ließ.

Dieses Engagement und sein Einsatz, als er bereits Professor für Musik und Theater in Charkiw war und als Direktor des ukrainischen Rundfunks fungierte, wurde ihm nach den Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis: Er wurde von einem sowjetischen Gericht zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt und wurde danach, als er wieder in Charkiw lebte, rehabilitiert, lebte allerdings nur noch bis 1960.

Sein Werk ist ganz im Kontext der zeitgenössischen europäischen Musik und ihren vielen Strömungen in den Jahren zwischen 1920 und 1945 entstanden und spiegelt diese in mancher Hinsicht. Moderne und ein noch spätromantischer Expressionismus prägten Kostenkos Schreibweise.
Unter den Bühnenwerken ragt besonders die Oper Karmaljuk hervor, das einem ukrainischen Nationalhelden gewidmet war, der zur Mitte des 19. Jahrhunderts gegen die Herrschaft der grundbesitzenden reichen Bauern rebellierte, indem er sie überfiel und geraubte Besitztümer an die arme Landbevölkerung verteilte.

Auch die Opern Die Karpaten und Nazar Stodolia (1953) nach einer Vorlage von dem bedeutendsten ukrainischen Lyriker Taras Schewtschenko (1814 – 1861), dem „Goethe der Ukraine“, gefielen dem Publikum damals. Ballett, Suite und Symphonie waren weitere Genres, die er bediente und die weithin Aufmerksamkeit erregten.
Walentyn Kostenko, der nicht mit Lina Kostenko, der wohl bedeutendsten ukrainischen Dichterin des 20. und 21, Jahrhunderts verwandt ist, komponierte ebenso Instrumentalmusik für Kammerensembles, so etwa sechs Streichquartette und Stücke für Violine und Klavier, darüber hinaus auch Chorstücke und Filmmusik.