Anders als vielleicht mancher denken mag, schrieb Scott Joplin nicht als erster Ragtimes, relativ kurze Stücke mit Tanzcharakter in einer speziellen, seit 1870 in den USA gebrauchten Spielweise, die einige Jahre später in bluesbasierte Jazzstile und rasch auch in die westliche Kunstmusik einging, wenn sie nicht gar bereits von klassischen Vorbildern inspiriert war: Es ließen sich hinsichtlich der Verwendung von Chromatik und Harmonik Verbindungen von Chopins Walzern zu Joplin und seinem Umfeld feststellen, während aber die Rhythmik, der durchlaufende Beat in der linken Hand sowie die charakteristische Achtelsynkopierung der Musik ehemaliger afrikanischer Plantagenarbeiter zu verdanken ist.

Das vermutlich erste Beispiel eines Rag – von 1895 – stammt von dem Unterhaltungskünstler Ernest Hogan; kurz darauf folgte You’ve Been a Good Old Wagon but You Done Broke Down des Liedkomponisten Ben Harney, der damit einschlagende Erfolge feierte.
Um die Wende zum 20. Jahrhundert entstanden immer mehr tanzbare, auf Märsche zurückgehende Stücke, die seit 1899 Scott Joplin, damals ansässig in Sedalia und St. Louis in Missouri mit seinen modernen Ragtimes „aufs Parkett legte“: Unter den ersten war der Maple Leaf Rag von 1999, welcher mehr als eine Dekade großen Einfluss auf andere Künstler ausübte, die sowohl in diesem Stil zu komponieren als auch Konzerte und Tanzveranstaltungen damit zu bestreiten begannen.

Als von einem breitgefächerten Publikum favorisierte Unterart aufkommender Jazzrichtungen erlebte der Ragtime zu verschiedenen Zeiten seit den 1940er Jahren Revivals in der gesamten westlichen Hemisphäre und darüber hinaus, insbesondere durch Joplins namhaften Entertainer, der in dem Streifen Der Pate erklang.

Von europäischer Seite konnte sich zunächst Antonín Dvořák in New York für den Ragtime erwärmen, mit großem Eifer wurde er auch von der Groupe de Six in Paris mit Vorliebe rezipiert, nachdem ihn bereits Claude Debussy in drei Stücken verwendet hatte: In Erik Saties Ballett Parade aus dem Jahr 1917 etwa taucht das eingängige Genre als Ragtime du Paquebot auf. Jahre später, als der von alten Plantagentänzen abgeleitete Cakewalk (als Instrumentalstück im 2/4-Takt notiert) in Paris populär geworden war, steuerte Satie die Klaviernummern La Diva de l’Empire und Piccadilly bei. Bereits 1919 ließ sich Igor Strawinsky zu seiner Piano Rag Music inspirieren.

Literatur u.a.
Peter Bailey: „Hullo, Ragtime!“ West End revue and the Americanisation of popular culture in pre-1914 London. In: Popular musical theatre in London and Berlin. Cambridge 2018. S. 135 – 152.
Edward A. Berlin: King of Ragtime: Scott Joplin and his era. 2. Auflage. Oxford, New York 2015.
David A. Jasen: Ragtime. An encyclopedia, discography, and sheetography. New York 2007.