Vor dem Einsatz des Orchesters an einem Konzertabend stimmen Mitspielende in aller Regel ihre Instrumente und sich aufeinander ein. In kleineren wie größeren Ensembles wird häufig mit der Stimmgabel oder durch die sprichwörtliche „erste Geige“ der Anfangston vorgegeben, um den Klangkörper auf den Basiston der Moll- oder Durtonart „einschwingen“ zu lassen und einen gemeinsamen Ausgangspunkt herzustellen.

Diese Einstimmung, auch Intonation genannt, ist elementar, insbesondere für Instrumente, bei denen nicht einfach auf Tastendruck ein bestimmter Ausgangston erzeugt wird. Im Speziellen handelt es sich, weil die abendländische Kunstmusik eben ganz wesentlich auf der kirchlichen Chormusik beruht, beim Vorgang der Intonation auf dem Vorspiel des Organisten zum ersten Choral, der den Sängern mit einem entweder improvisierten oder notentextgebundenen Präludium dabei einer Gemeinde oder einer auftretenden Sängergruppe Hilfe leistet, harmonisch und motivisch in die Klangsphäre des jeweiligen Werks einzutauchen.

Die Improvisation spielt bis heute bei Organisten oder anderen für die Messe oder den Gottesdienst tätigen Musikern, die eine gute bis sehr gute Ausbildung hinter sich haben, eine zentrale Rolle. Dies bedeutet aber nicht, dass nicht häufig auf „fertige Kost“ an Stelle des Fantasierens über eine motivische Formel oder eine Melodie zurückgegriffen wird: Die Zahl der Choralvorspiele ist seit der Renaissancezeit auf ein riesiges Repertorium angewachsen und bietet zu jedem Gesangbuchlied und weit darüber hinaus, ausgearbeitete Introduktionen. Sammlungen durch alle Tonarten legten etwa Giovanni und Andrea Gabrieli bereits 1593 vor und auch der Entwurf von Bachs Wohltemperiertem Clavier und abhängig von ihm Schostakowitschs ähnlich systematisch angelegter Fundus von Präludien und Fugen bezieht sich konzeptionell – in der Abfolge der Tonarten in Halbtonschritten – auf solche Sammelwerke.

Nicht nur in die Tonart, nehmen wir als Beispiel Es-Dur, sondern auch in die manchmal auch sehr individualistische Klangfärbung des gesamten Orchesters wird mit der Intonation eingeführt, wenn der möglichst schwingende Anfangston oder der Basiston der Tonika ton von einem einzelnen Instrumentalisten vorgegeben wird. Da Anfangspassagen gerne durch das solistisch eingesetzte Klavier zu realisieren sind, wird zuvor der jeweils stimmige Klangcharakter durch das so genannte „Stechen“, mit dem man einen weicheren Ton hervorbringt oder mittels Abfeilen des Filzbelags an den Hammerköpfen erzielt wird.
Intonationstheorie untersucht das Einbilden von Inhalten oder vorherrschenden Stimmungen in einem darzubietenden Werk. Nach diesem Verständnis des Terminus geht es um die Identifizierung der Ausführenden mit dem Ton oder um den „Zustand tonlicher Spannung“, der Begriff changiert zwischen diesen Polen.
Literatur u.a.
Mark Aranovskij: Intonation. Zeichen und neue Methoden. BzMw XXV, 1983.
Norman D. Cook: Tone of Voice and Mind. Amsterdam 2002.
Jutta Stüber: Die Intonation des Geigers. Bonn 1989.