Mit Galuppi nach Italien

Die Bedeutung eines Musikers aus Hluchiw im Hetmanat, das heute zum ukrainischen Regierungsbezirk Sumy gehört, für die europäische Musik im ausgehenden 18. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 19. kann kaum überschätzt werden. So beeindruckte Dmitri Stepanowitsch Bortnjanski unter anderen König Friedrich Wilhelm III. so, dass dieser veranlasste, die liturgischen Stücke der preußischen Agende von 1829 nach seinen melodischen (Satz-)Mustern auszukomponieren.

Dmitri Stepanowitsch Hluchiw wurde 1751 in der Hauptstadt des Kosaken-Hetmanats, Hluchiw, geboren und starb 1825 in St. Petersburg. Der Einfluss seiner Musik reichte vom russischen Reich bis nach Westeuropa (Михаил Иванович Бельский, 1788, Ukr/R p.d.).

Noch weiterreichenden Einfluss übte in Mitteleuropa eine markante Melodie aus Bortnjanskis Repertoire aus, die ursprünglich als Freimaurer-Lied erdacht war, für den Großen Zapfenstreich des Militärs herhalten musste und schließlich in der  Vertonung der Choralstrophe Ich bete an die Macht der Liebe von Gerhard Tersteegen weithin populär wurde. Der Umstand, dass der Komponist in jungen Jahren als Chorsänger der St. Petersburger Hofkapelle beitrat, führte zu einer Bindung an diese Institution, aus der zahlreiche geistliche, vor allem vokale Werke für die dortige byzantinische Liturgie entstanden. Aus der Fusion russischer und westeuropäischer Satzweisen unter Einbeziehung eines polyphonen Stils nach Palestrinas Muster ergab sich eine eigentümliche und produktive Mischung.

Dieses Lied Dmitri Bortnjanskis verbreitete sich um ganz Europa und war bis ins 20. Jahrhundert populär; es basiert auf einem Freimaurer-Lied des Komponisten (1757 / 1820 in: Gesänge für Sonntag-Schulen, New York 1866, US p.d.).

 

 

 

Bortnjanskis Faible für italienische Musik erklärt sich daraus, dass er Baldassare Galuppi, der den Petersburger Hofchor zwischen 1765 und 1768 dirigiert hatte, nach Italien kam und bald schon selbst als erfolgreicher Opernkomponist hervortrat, in Venedig 1776 mit  Creonte und 1778 mit Alcide (1778), in Modena im selben Jahr mit Quinto Fabio. Noch Peter Iljitsch Tschaikowsky bewunderte seine liturgische Musik und brachte 1882 eine zehnbändige Gesamtausgabe zu diesem Aspekt seines Schaffens heraus.

Die St.-Nikolaus-Kirche von Hluchiw stammt aus dem Jahr 1693 und ist ein Wahrzeichen der Geburtsstadt Bortnjanskis (Olga Loboda 0806, 1.6.2018, CC-Liz.).

Die italienischen Jahre des neben Ukrainisch und Russisch in wenigstens vier weiteren europäischen Sprachen versierten Musikers wirkten äußerst fruchtbar weiter: Nach St. Petersburg zurückgekehrt entwickelte er als dessen Leiter den Hofchor zu einem in ganz Europa erstrangigen Ensemble. Er genoss schließlich das Privileg, die offizielle Johannes-Chrysostomos-Liturgie für das gesamte Zarenreich auszuarbeiten.

Antiochus‘ Werbung um Stratonike: Dmitri Bortnjanski schrieb eine opéra comique, die in der Gegenwart angesiedelt war, aber in deren Titel auf die Tochter Demetrios I. angespielt wird (Stefano Pozzi, ca. 1740, Chicago Institute of Art 1978.424, US p.d.).

 

 

Zwischen 1786 und 1787 entstanden daneben die Umsetzungen dreier französischer opéras comiques, La fête du Seigneur, Le faucon und Le fils rival ou la moderne Stratonice. Letzterer liegt die im Libretto genutzte Allusion auf die Tochter des makedonischen Diadochenfürsten Demetrios I. Poliorketes, Stratonike, zu Grunde, die aufgrund ihrer Heirat mit dem Fürsten Seleukos zur Königin des Seleukidenreichs avancierte. Ein paar Jahre später, 1790, sollte sich Étienne Nicolas Méhul in einer comédie-héroïque dieses Stoffs annehmen. Dmitri Bortnjanski war auch Schöpfer etlicher Werke von Klavier-, Orchester- und Kammermusik, einer Sinfonia concertante für Cembalo, Harfe, zwei Violinen, Viola da Gamba, Cello und Fagott in B-Dur von 1790, die Galuppis Satzweise nahekommt und eines Quintetts in derselben solistischen Besetzung aus dem Jahr 1787.

Concerto Nr. 3 mit dem Göttinger Kammerorchester

Mnogaja leta: Auf viele Jahre

Literatur u.a.
Gerald R. Seaman: D. S. Bortnyansky 1751 bis 1825. In: The Music Review 21. 1960. S. 106 – 113.

 


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