Kontraste: zwischen Mozart und Moderne

Das letzte von den vier Klavierkonzerten, die Mozart bei seinen Versuchen, sich in Salzburg zu etablieren und einen Namen zu machen, steht in der für den Komponisten nicht eben seltenen Tonart Es-Dur (KV 271) und wurde später womöglich fälschlich „Jeunehomme“-Konzert genannt, da zwei Biographen darin den (Mädchen?-)Namen der Pariser Pianistin erkennen wollten, die als erste das Konzert aufführte, von väterlicher Seite aber Louise Victoire Noverre, verheiratet Jenamy hieß.

Claire Huangci (geb. 1990) ist eine international renommierte Pianistin. Sie spielte bislang nicht nur mit vielen Orchestern, sondern produzierte zahlreiche CD-Aufnahmen mit Werken von Kabalewski, Rachmaninoff, Chopin, Tschaikowski, Beethoven und Bach (Liz. Theater Erfurt).

Zu den beiden Erfurter Abenden am Donnerstag und Freitag schuf die amerikanische Pianistin Claire Huangci eine sehr individuelle, fantasievolle Atmosphäre für die Ereignisse in diesem bemerkenswerten Klavierkonzert.

Was den Klavierpart gegenüber dem Orchester betrifft, sind neben einem über weite Strecken auf gleicher Augenhöhe geführten Wettstreit ein paar wahrhaft innovative Besonderheiten festzustellen. Ungewöhnlich ist für die Entstehungszeit der Einsatz des Klavierspielers unmittelbar nach der Orchesterfanfare am Anfang des 1. Satzes und zwar mit einer Antwort, die in ihrer Rhythmisierung und melodischen Gestaltung von völlig anderer Natur ist.

1, Satz ‚Allegro‘: der Anfang mit der ungewöhnlichen Fanfarenantwort der Klavierstimme(n) (Klavierkonzert Es-Dur, Lionelmozart, 27.12.2020, CC-Liz.).

Im überaus rezitativisch durchgeführten Andantino behält die Pianistin die Oberhand und selbst die Kadenz wird von ihr alleine ausgeführt, wo man als Abschluss sonst das Orchestertutti erwartet hätte. Die Schlusstakte des Finalsatzes Presto lassen ein kleines Achtel-Motiv aus dem Hauptthema im Pianissimo verklingen.

Der in Malaysia geborene Dirigent Harish Shankar, der derzeit als erster Kapellmeister am Meininger Staatstheater engagiert ist, führte das Publikum zusammen mit dem Philharmonischen Orchester des Theaters Erfurt durch ein höchst diversifiziertes Programm, das vom 21jährigen Mozart über Johannes Brahms‘ 1. Symphonie c-Moll bis zu Detlev Glanerts Bearbeitung von Brahms‘ Choralvorspiel Herzlich tut mich verlangen nach einem sel’gen End und einer eigenen Fantasie über den (vorübergehenden) Meininger Komponisten reichte.

Harish Shankar, geboren 1984, studierte in Lübeck, Hannover und Weimar und leitete mehrer Jahre das peruanische Jugendorchesterprojekt ‚El Sistema‘ (2019, CC-Liz., official website des Dirigenten).

Glanert, der als Composer-in-Residence in Mannheim, Sapporo, Köln und Amsterdam wirkte, bearbeitete vor ein paar Jahren vier Choräle von Brahms für Orchester, darunter den genannten, für Orchester. Die Uraufführung aller vier, zu denen auch op. 122,3 O Welt, ich muss dich lassen gehört, fand Anfang 2017 statt. Der immer schon in Hamburg ansässige Komponist ist Jahrgang 1960 und kann bereits auf ein Oeuvre mit breitem Spektrum von Kammer- und Chormusik über Symphonie und Konzert bis zum ausladend bedienten Musiktheater zurückblicken. Eine wesentliche Rolle spielt bei dem ehemaligen Schüler Hans Werner Henzes und Thomas Knussens durch alle Werkgruppen die Bezugnahme auf Literarisches: Er beschäftigte sich sowohl mit Werken von Hanns Henny Jahn und Thornton Wilder als auch mit Novalis und Stanislaw Lem, dessen Roman Solaris er 2012 auf die Opernbühne brachte.

Theater Erfurt: Spielplan 2022