Angesichts der weitgreifenden Digitalisierung der Medien und der künftigen Rohstoffsituation scheint es eher vermessen, auf gedruckte Neuerscheinungen aufmerksam zu machen – zu rechtfertigen allenfalls durch den Hinweis auf die eBooks, die zu einigen der Titel vorliegen oder im Sinne einer durchgreifenden Modernisierung öffentlicher Bibliotheken noch kommen werden.

An diesem Wochenende strömt(e) das Publikum aus allen Himmelsrichtungen zur nunmehr 73. Frankfurter Buchmesse und Musikinteressierte konnten die eben gedruckten Neuerscheinungen direkt, auch ohne Internetverbindung, in die Hand nehmen, abzüglich der Titel, die nur für den Offline bzw. Online-Gebrauch veröffentlicht wurden. In Halle 4 finden sich die Noten- und Musikbuchaussteller; unter anderem ist hier die gerade erst 30 Jahre alt gewordene ConBrio Verlagsgesellschaft.

Hier erschien vor kurzem in der Reihe Schriften der Europäischen Musiktheater-Akademie mit Music Theatre in Motion ein Überblicksband zum Tanz in der Oper, in dem in Einzelbeiträgen sowohl größere Epochen der Musikgeschichte unter dem gegebenen Motto reflektiert als auch die aktuelle choreographische Umsetzung in Opernszenen unter die Lupe genommen wird. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Symbolismus in Debussys Pelléas et Melisande und wie diesem in den Tanz- bzw. Ballettszenen Rechnung getragen wird: Der Aufsatz To Make the Invisible Visible wurde von dem belgischen Kunsthistoriker und Dramaturgen Koen Bollen, der das Festivalprojekt Tonguecat an der Bayerischen Staatsoper in München mitverantwortet.

Zu den neuen Noteneditionen beim Traditionshaus Schott Music zählen neben Sergej Rachmaninoffs 2. Symphonie in ihrer Adaption als „5.“ Klavierkonzert durch Alexander Warenberg und hier für zwei Klaviere gesetzt unter vielen anderen Gavin Bryars 4. Streichquartett und Iris ter Schiphorsts My Sweet Latin Lover II in der Version für Flöte und E-Gitarre. Von Melanie Spanswicks dreibändiger Klaviermusik-Edition, Women Composers, liegt nun die erste Notenausgabe vor. Cellisten werden begeistert sein von der Publikation des wiederentdeckten vierte Satzes aus Martin Berteaus fälschlich lange Giuseppe Sammartini zugeschriebener Sonate G-Dur (op. 1/3) für Cello und Klavier und für zwei Violoncelli.

Die Studien im ersten Band Deutsch-Russische Musikbegegnungen, herausgegeben von Stefan Weiss und ediert beim Hildesheimer Verlag Olms Weidmann widmen sich der Zeit der Weimarer Republik und beleuchten die Rezeption deutscher und russischer Musik wechselweise. Lidia Ader deckt die Allianz auf dem Gebiet des mikrotonalen Komponierens zwischen den Musikschaffenden der beiden Mächte auf, der Beitrag Tamara beschäftigt sich mit der Aufnahme der Werke Paul Hindemiths in der frühen Sowjetunion und Dorothea Redepenning wirft einen Blick auf die Beziehungen in der Zeit vor 1917. Stefan Weiss untersucht die Konstruktionen russischer bzw. sowjetischer Musik in der Berliner Publizistik der 1920er Jahre. Ein wesentliches Augenmerk der Neuerscheinung gilt der skeptischen Haltung der deutschen Musikpublizistik gegenüber früher Sowjetmusik und dem russischen Interesse an deutschen Komponisten in der Epoche.