Zeit wird abgezogen und (nicht immer wieder) dazugegeben: Als Möglichkeit im mehrstimmigen Musizieren breitete sich das Tempo rubato, abgeleitet von „rubamento“ wohl schon vor seiner theoretischen Beschreibung durch Ludovico Zacconi im Jahr 1592 aus; Temposchwankungen dieser Art innerhalb eines Stücks wurden als Spielvorgabe wohl seit Ende des 16. Jahrhunderts gebunden vorgeschrieben.

Der aufgestellten Regel gemäß dürfen sich an der Basslinie anders als bei den Zwischenstimmen keine Änderungen ergeben. Praktiziert wurde die genaue Übereinstimmung der Spielgeschwindigkeit zwischen Melodielinie und Bass über Frédéric Chopin noch bis in die Epoche der ersten professionellen Musikaufnahmen hinein.
Agricola übersetzte Tosis Rubato-Definition von 1723 mit „Verziehung der Geltung der Noten“, womit die Manier in der Praxis ziemlich zutreffend beschrieben sein dürfte. Spätestens seit dem 17. Jahrhundert wandten Musiker ebenso das freie Rubato an, selbst wenn die Bezeichnungen andere waren.

Zum Ersatzterminus für das im vergangenen Jahrhundert eher schon elitär anmutende Rubato wurde Agogik, wobei der Begriff etwas mehr als nur Tempoänderungen beschreibt. Richtiger wäre es wohl, dem neueren Hyperonym Agogik das Rubato unterzuordnen, wie dies Hugo Riemann tendenziell tat. Interessant prägt sich die schon im 19. Jahrhundert gänzlich zur Methode gewordene Manier letztlich bei Franz Liszt aus, der die Rubato-Spielweise größeren Teilen eines Werks, wenn nicht dem ganzen Orchestersatz vorschrieb.
Literatur u.a.
Carl LeRoy Blake: Tempo Rubato in the 18th Century, Diss. Cornell University Ithaca. New York 1998.
Renee Timmers: The Influence of Musical Context on Tempo Rubato. In: Journal of New Music Research XXIX Bd. 29. 2000/2. S. 131 – 158.