Im Geist des Theaters

Selbst ihre Kammermusikwerke atmen den Geist des Theaters: Der (Schauspiel-)Bühne galt Helen Gifford ästhetisches Denken Zeit ihres Musikerinnendaseins. Diese Orientierung färbte deutlich auf die intimeren Kammermusikwerke ab. Hier fallen besonders zwei Stücke aus verschiedenen Schaffensperioden der mit Melbourne nicht nur durch ihre Schulzeit und das Konservatoriumsstudium verbundenen späteren Komponistin „ins Ohr“.

Die australische Komponistin Helen Gifford wurde 1935 in Melbourne geboren (Australian Music Centre, Photo: Donna Dwyer).

Das Jahr 1958 markierte nicht nur Giffords Bachelorabschluss mit Lehrern wie dem Klavierdozenten Roy Shepherd und dem Urheber einer wohlbekannten Sinfonietta aus eben dieser Epoche, Dorian Le Gallienne, der sie im Fach Komposition unterrichtete. Übrigens wurde nach dem in Australien legendären Namen dieses ebenso als Kritiker wirkenden Dozenten ein Preis gestiftet, den als erste 1965 tatsächlich seine Schülerin Helen Gifford erhielt. 1958 also entstand auch Fantasy für Flöte und Klavier, mit dem sie sich deutlich auf die französische Musik des Impressionismus und Expressionismus bezog, die 1950er Jahre bezeichnete sie später gerne als ihre „französische Zeit“.

Helen Giffords kompositorisches Empfinden und Denken ist bis heute am Theater ausgerichtet (Theatre Stage, Albert Hall, Canberra, 4.9.2016, John Scotaus, CC-Liz.).

Von letzterer liegt die starke Akzentuierung thematischer Verbindungen Zeugnis ab; Larry Sitsky dachte sich den Klavierpart gar als eigentlich für ein kleines Ensemble zu spielen geeignet. Ganz gemäß viel älterer Konventionen im Instrumentalkonzert wird dem Solisten im zweiten Satz Lento der Fantasy eine eigene Kadenz zugestanden, im dritten lässt Gifford eine vielfarbige, bewegte Melodie einfallen.

Legendärer Kompositionslehrer: Dorian Le Gallienne (1915 – 1963) prägte nicht nur eine Generation von Kompositionsschülern (Wirripang, Australian Composers).

Etwa 25 Jahre später trat Gifford mit einer weiteren, Aufmerksamkeit erregenden Komposition ins Rampenlicht. Die für eine Anfang der 1980er Jahre noch ziemlich bunt schillernde Zusammenstellung des Ensembles für Time and Time Again sah Flöte, Klarinette, Cello und eine ganze Batterie von Perkussionsinstrumenten, Becken, Maracas-Trommeln und Vibraphon, ergänzt um das Klavier in Schlagzeugrolle vor. Sie bilden den gleichmäßigen Puls des aus ostinat gebrauchten Tönen und wiederholten melodischen Floskeln bestehenden Stücks ab, das in dieser Form an der gleichzeitig aufblühenden Minimal Music von Philip Glass erinnern mag.

Literatur u.a.

David Bennett: Perspectives on postmodernism – sampling Australian Composers. In: Sounds Australian. Vol. 67. 2006. S. 28 – 36.
Jaslin Robertson: A brain that keeps working: An interview with Helen Gifford. In: Context. Vol. 45. 2019. S. 75 – 85.
Larry Sitsky: Australian Chamber Music with piano. Canberra 2011.

 

 


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