Kampf als Tanz

Bei der Capoeira handelt es sich vorderhand nicht um eine musikalische Form, sondern um eine uralte afrikanische Kampfkunst, für die genaue Bewegungsabläufe vorgegeben werden, welche ebenso nach normativen wie praktischen Regeln ablaufen; ähnlich wie beim Judo sind sie so erdacht, dass physische Verletzungen vermieden werden.

Paradebeispiel der ‚Capoeira de Rua‘ mit Mestre Ferradura (17.2.2020, Omri Ferradura Breda, CC-Liz.)

Überwacht werden die komplexen, in sich aber variierbaren Vorgänge von den heutigen Nachfahren des im 20. Jahrhundert zur Legende gewordenen Mestre Bimba, mit bürgerlichem Namen Manuel dos Reis Machado. Starke Betonung liegt auf dem nicht nur auf den Kampf bezogenen Selbstschutz der Tänzer, die in unbekannter und dunkler Umgebung zur Vorsicht angehalten werden.

Berimbau mit unterschiedlichen Tonhöhen: Die größte erklingt am tiefsten (Horst Nogajski, Februar 2004, GNU Free Doc. Lic.).

 

Wichtiger Bestandteil ist der für den Kampftanz abgemessene Spielraum, die Roda. Sämtliche Teilnehmer befinden sich in einem Kreis, eine bestimmte Stelle darin ist für die Musiker reserviert. In deren Mitte steht der Berimbau-Spieler. Unterschiedlich große Holzkugeln am Ende des mit einer Saite versehen gekrümmten Stabs als Teil des Instruments sorgen für Klänge auf verschiedenen Tonhöhen, wobei am dünnsten Stab mit der größten Kugel die tiefsten Töne erzeugt werden, dem „Muhen eines Ochsen“ vergleichbar. Ein zusätzlich angehängtes Körbchen mit Pflanzensamen sorgt ganz im Sinne eines Schüttelidiophons wie der Rassel für die Verstärkung des Rhythmus. Als berühmtester Berimbau-Musiker gilt der Jazz-Perkussionist Naná Vasconcelos.

Das Ensemble umfasst zusätzlich die Instrumentalisten der Atabaque, einer auch im Candomblé-Ritus genutzten Handtrommel und des Pandeiro, einer Art Tamburin mit dem Schellenkranz. Sechs Rhythmenformen, auch Toques genannt, dominieren in der Capoeira: Sie sind zum einen geographisch benannt wie Angola oder São Bento Grande oder im Falle der Iuna nach einer Vogelart, wobei die Tanzenden hier sehr spezielle Bewegungsmuster zu beachten haben, die Mestre Bimba in das Spiel eingeführt hatte.

Schon zu Lebzeiten eine Berimbau-Legende: Naná Vasconcelos (1944 – 2016) (TV Brasil, 2012, CC-Liz 3.0 Brasil)

Den Toques sind bestimmte portugiesischsprachige Lieder, Cantigas, zugeordnet, die häufig mehrstrophige Erzählungen darstellen und Ladinhas genannt werden. Last but not least spielte der Capoeira in einigen bekannte Leinwandstreifen ein zweites Leben; als Beispiel sei hier der klassische Film Cordão de Ouro mit den Mestres Nestor Capoeira und Camisa aus dem Jahr 1977 genannt.

Literatur u.a.

Juan Diego Díaz: Between Repetition and Variation: a Musical Performance of ‚malicia‘ in Capoeira. In: Ethnomusicology forum, Bd. 26. 2017. 1, S. 46 – 68.

Wolfgang Stroh: Capoeira: Musik, Bewegung, Magie. In: Praxis des Musikunterrichts, Bd. 99. 2009, 3, S. 44 – 47.

 

 


Beitrag veröffentlicht

in

,

von