Spätestens Ende dieses eher Einzeltraining begünstigenden Jahrs liegen für Harfenisten wieder zahlreiche Notenausgaben vor. Sie sind leicht einzuteilen in die Sparten Orchesterspielkunde, Gebrauchsstücke für den Einzelunterricht und virtuose Originalliteratur. Anfänger und Laien sollten wissen, dass bei der Hakenharfe, deren Mechanik die Erhöhung jeder Saite um einen Halbton mittels einer Halbtonklappe erlaubt, der Notensatz anders als im Falle der Pedalharfe gestaltet ist. Die Halbtonerhöhung aller gleichnamigen Töne im Ambitus dieses Instruments wird durch ein Pedal ermöglicht und erfordert eine en détail andere Notation.

Von Maité Etcheverry, einer an der Anden-Universität in Chile tätigen Expertin für folkloristische (und klassische) Musik, die sich unter vielem anderen der irischen und bretonischen populären Musik des Mittelalters auf der traditionell diatonisch gestimmten keltischen Harfe gewidmet hat, liegt nunmehr eine Edition zu ihrem Instrument von 15 Villanellen vor. Sie wurde bekannt für ihre Transkriptionen von Charles-Louis Hanons Unterrichtsmethodik; sie gibt immer wieder Übungssammlungen für die keltische Harfe heraus.

Im Hause Heyn erschien kürzlich ebenfalls eine Kollektion der bekanntesten deutschsprachigen Weihnachtslieder für die Hakenharfe durch die österreichische Virtuosin Renate Altmann, die für ihre zahlreichen Konzerte bekannt ist.

Wer lieber im Duett als alleine übt und konzertiert, ist mit einem der neueren Werke von Hope Lee, Jahrgang 1953, gut bedient, nämlich Imaginary Gardens II, erschienen bei der Furore-Edition. Alle der knappen kammermusikalischen Expeditionen in einen von „Bewegung, Emotion und Bildern“ erfüllten Klanggarten gehen auf das Gedicht somewhere i have never travelled, gladly beyond von E.E. Cummings als Inspirationsquelle zurück. Der zweite Teil ist für Sopransaxophon und Harfe eingerichtet.

Der am Konservatorium von Turin unterrichtende Komponist Franco Alfano schrieb 1899 in Erinnerung an eine wohl bezaubernde Rumänin, die ihm einst begegnet war, vier Tänze ihrer Heimat für Klavier. Davon setzte er zwei, nämlich den dritten und vierten, zusammen mit der Harfenistin Amedea Redditi für Harfenduo, eine in der Originalliteratur recht seltene „Spezies“. 1937 kamen sie mit Redditis berühmt gewordener Schülerin Mirella Vita in Turin zur Uraufführung, als Alfano bereits Direktor der Institution war. Die beiden Tänze wurden 2018 bei Stella Mattutina Edizioni herausgegeben.
Die hier kurz vorgestellten Neuausgaben von Harfenliteratur dürften das Repertoire nicht nur wegen ihrer Herkunft aus unterschiedlichen Epochen, sondern auch wegen ihrer satztechnischen und stilistischen Eigenarten und der ungewöhnlichen Besetzung auf breites Interesse bei Harfenisten stoßen.