Für die Moderation einer musikhistorisch zentralen Symphonie der Wiener Klassik im Übergang zur Moderne der Romantik konnte das Theater Erfurt die neue Leiterin des Kulturhauses Dacheröden gewinnen: Johanna Bastian ist selbst studierte Violinistin und Expertin für Musikvermittlung, einem Bereich, in dem sie sich sowohl in Hamburg und Bremen als auch in Nordrhein-Westfalen vielfache Verdienste erwarb. Als Dozentin an einer Berliner Hochschule baute sie mit zwei Audioreihen und einem Podcast erfolgreich Brücken zwischen Kunst und Publikum.

Dieser Expertise entsprechend informativ und transparent unterhielt sie alle Zuhörer, vom Gymnasium bis zum Senioren, über Details und den „Kern“ der 3. Symphonie Beethovens in Es-Dur, Eroica, die eine weit weniger „heroische“ Botschaft vermittelt als man annehmen mochte.

Einen anschaulichen und erhellenden Gang durch die wesentlichen Aspekte der für ihre Entstehungszeit zwischen 1802 und 1803 ungewöhnlich modernen und langen Symphonie garantierte die unmittelbar Mitwirkung von Myron Michailidis, dem Dirigenten des Abends und durch das Philharmonische Orchester Erfurt, das in seiner bewährten Besetzung und auch mit neuen Kräften den späten Sonntagnachmittag bestritt.

Dass Motive, die anfänglich erklingen, von Beethoven nicht immer wieder aufgegriffen werden oder an „falscher“ Stelle (verändert) auftauchen, war den Hörern seit seiner 1. Symphonie bekannt und verstörte sie nachhaltig. Die besonderen rhythmischen und schroffen harmonischen Kontraste im dritten Thema des für sich schon symphonische Dimensionen annehmenden ersten Satzes waren durch Johanna Bastians Vormoderation für das gesamte Publikum gut nachvollziehbar. So sorgte ihre ausführliche Einleitung inklusive der vom Orchester und von Myron Michailidis selbst am Flügel angerissenen markanten Beispiele für das analytische Hören der besprochenen Besonderheiten, auch wenn mancher Besucher nur zum Zweck des ästhetischen Vergnügens gekommen sein mochte.

Zwar ist die 3. Symphonie eng mit der Person Napoleon Bonapartes verbunden, den Beethoven zunächst sehr verehrte, dessen eigene Krönung zum Kaiser ihn aber in seinem demokratisch-revolutionären Weltverständnis erschütterte; unleserlich gemachte Stellen und Überschreibungen in der Partitur zeugen von einer Auseinandersetzung des Komponisten mit sich selbst, die ihn wohl zur Selbsterhöhung gegenüber dem vormals idealisierten französischen Feldherrn im Zeichen seiner Kunst trieb. Voranstürmende Energie kennzeichnete auch die interpretatorische Umsetzung durch das Orchester, das allerdings einen denkbaren heroischen Impetus gemäß der Gesamtdeutung des Werks hintanstellte. Am Rande des 1. Expeditionskonzerts dieser durch die Schatten der Pandemie immer noch unter erschwerten Bedingungen eröffneten Saison musste es als ebenso bedauerlich wie verquer erscheinen, dass die Stadt vor den Toren des Theaters zur selben Zeit eine extremistische Kundgebung genehmigt hatte.
Spielplan des Theaters Erfurt