Vorfeld und Praxis digitaler Musik

Im nächsten Umkreis derjenigen Theoretiker und Komponisten künstlicher Klänge, die als erste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Soundscape als „akustische Hülle“ definierten, bewegte sich auch der aus Chatham in Ontario gebürtige Barry Truax. In Ergänzung zu und auf der Basis von Überlegungen seines Landsmanns Raymond Murray Schafer, der gewissermaßen die kritische Speerspitze der Erforschung von Lautsphären in der Moderne und die Disziplin der neuartigen Klangökologie repräsentiert, verstand er sämtliche in der Welt auftauchende Klänge als Kontinua mit fließenden Übergängen, wodurch diese auch eine gewisse qualitative Gleichwertigkeit (ohne das Primat der Musik) charakterisiert.

Barry Truax (geb. 1947): „Composing Music with the Environment“ von John Kannenberg (flickr.com Liz.)

Im nächsten Schritt differenzierte Truax Klangsysteme aus diesem akustischen Konglomerat im Sinne einer Organisation von Schall. Hierbei handelt es sich keineswegs um philosophisch-abstrakte Denkgebilde; vielmehr basieren sie auf der Rationalität eines Mathematikers und Physikers, der Truax zu Beginn war, bevor er sich dem Studium der Komposition an der University of British Columbia und am Institut für Sonologie in Utrecht zuwandte. Nicht zuletzt ermöglichte ihm seine frühe Kooperation mit Murray Schafer für dessen World Soundscape Project die Hochschullehre. Die Verknüpfungen, die er anstellte, waren nahezu ein Alleinstellungsmerkmal, was ihm schließlich die Stelle des Leiters am Sonic Research Studio in Burnaby einbrachte.

Einige von Barry Truax‘ elektroakustischen bzw. digitalen Kompositionen sind auf der von Wergo publizierten CD aus dem Jahr 2000 versammelt (ASIN: B006T2P9HC).

Truax‘ vornehmlich elektroakustische Kompositionen, etwa Sonic Landscapes, die zwischen 1970 und 1977 entstanden, Wings of Fire (1996) für eine Cellistin und zwei digitale Tonaufnahmen sowie komplementär hierzu Androgyne, Mon Amour (1997) für einen elektronisch verstärkten männlichen Kontrabass(isten) und gleichermaßen zwei Tonbandtracks machten ihn beim Publikum jenseits universitärer Wissenschaft bekannt. Einige ebenfalls programmatisch traditionell betitelte Werke schließen an konventionelle Genres an, unter anderem Orpheus Ascending für Sopran, Bariton und digitalen Tonträger von 2006.

Klangökologie

Literatur u.a.
Barry Truax: Acoustic Communication. 2nd edition. Westport CT u. a. 2001.


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