Kaum später als zur Wende 2018/19 wurde unser notgedrungen fragmentarisches Wissen über die Eigenart von nordirischer Barockmusik in ihren „besten Jahren“ um einen bedeutenden Fund erweitert. Obwohl an den nahen Grenzen die frostig-ungemütlichen Bedingungen eines nahezu alle bedrohenden Brexit ausgefochten werden, werkeln interkulturell aufgestellte Musik(wissenschaftl)er/innen unbeeindruckt weiter an lohnenden Aufgaben …

Es geht dabei um die zeitliche Einordnung eines in London aufgefundenen Manuskripts und die endgültige Identifikation seines Urhebers durch Estelle Murphy von der Maynooth University. Die Ode Welcome Genial Day aus der Hand des bedeutenden Bassisten und engagierten Komponisten Richard Leveridge (1670 – 1758) galt der Dubliner Christ Church und datiert mit der sicheren Zuweisung 1701 noch vier früher als das bisher älteste bekannt gewordene Werk der Epoche – ein mehr oder minder kontingent ermittelter Beleg dafür, dass es im Umfeld der hochbarocken britisch-irischen Musikszenen jenseits von London auch noch Älteres geben muss, wissenschaftlich betrachtet also ein größerer Stein ins Rollen gebracht wurde.

Die Widmungskomposition zum Anlass der Geburtstagsfeier gilt keinem (ständisch) Geringeren als dem Monarchen William III. Da der König selbst ja in London weilte, musste, wie als sehr wahrscheinlich angenommen wird, von seinem Stellvertreter, dem Lord Lieutenant die Leitung des mit Böllerschüssen und vielleicht auch Feuerwerk begangenen Events übernommen worden sein. Estelle Murphys exakte Beweisführung wurde möglich durch den Handschriftvergleich mit einem alten Liedtext aus der Stadtbibliothek Dublin, der – wie ein Puzzlestück – genau zur in London bis dahin unerkannt die Jahrhunderte überdauernden Odenkomposition passte.
Wiederaufführung nach 318 Jahren:
Richard Leveridge: Welcome Genial Day (1701)
Quelle:
Stephen McDermott: ‚It’s a big discovery‘: How a lost piece of music composed in 1701 found its way back to the Dublin stage. In: thejournal.ie (Januar 2019)