Entsprechend der hohen Dichte an nahezu jederzeit hörbarer Reggae-, Ska- und Jazzmusik auf dieser Insel der Ton gewordenen Träume müssen Ausnahmen auffallen: Einer davon ist Tarik Johnston alias Rvssian, denn im Vorfeld zu seiner Dancehall-Karriere als Sänger, Latin-trap-Vertreter und Produzent war er einer der wenigen, die eine akademische Laufbahn abgeschlossen haben, genauer: am heimatlichen Edna Manley College of the Visual and Performing Arts.

Viele, teils noch bekanntere Exponenten wie die Mitglieder der Marley-Familie lernten währenddessen in erster Linie von Musikereltern, -geschwister und -freunde und wären durch ein universitäres Studium womöglich so „verformt“ worden , dass sie niemals ihren einzigartigen Stil hätten entwickeln können; so lernten sie, als Kinder schon hoch talentiert, Giarrenspiel, Komponieren und anderes autodidaktisch sowie durch Zuhören und Mitmachen und erreichten ihre weltweite Popularität dank persönlichen Engagements und Ehrgeizes.

Außer dem 2015 verstorbenen Coleridge Goodie, der ursprünglich Violine in Großbritannien studiert hatte und erst danach zu Kontrabass und Jazz fand, waren es tatsächlich nur wenige, die es „nötig“ oder die Gelegenheit hatten, eine Hochschule von innen zu sehen. Auf Jamaica, wo er 1982 geboren wurde, fand Andrew Gourlay Gefallen an Posaune und Klavier; heute dirigiert er überwiegend das Symphonieorchester von Castilla y León und war fest verbunden mit dem Royal Opera House, den BBC Philharmonic und stand mit dem San Diego Symphony Orchestra auf der Bühne.

Gewiss eine Ausnahmeerscheinung im Herkunftsland des Reggae ist auch die Pianistin Eleanor Alberga. Die Jamaica School of Music war für sie einst nur Sprungbrett an die Royal Academy of Music in London. Zuvor war sie bereits Mitglied der Jamaican Folk Singers gewesen und schrieb zunächst Musik für das London Contemporary Dance Theatre, dessen Direktorin sie später werden sollte. Eines ihrer ersten erfolgreichen Werke war ein Violinkonzert, seither ist sie als Komponistin für die Oper, symphonische Musik wie diejenige zu Snow White and the Seven Dwarfs und Streichquartette. Mythologies für Orchester wurde im Jahr 2000 mit nachhaltigem Echo von Leonard Slatkin uraufgeführt.