Blick zurück auf den Valentinstag ohne zu versteinern: Die gesamte europäische Hirtendichtung der frühen Neuzeit und darüber hinaus wurde von dem lebendig-bewegten Liebesroman des Longos, der vermutlich im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstand und auf der Insel Lesbos situiert ist, evoziert und inspiriert.

Goethe empfahl, was freilich in der antikefreundlichen Neorenaissance der Klassik um 1800 kaum verwundert, man solle die Prosaerzählung – im Stil idyllischer „Süße und Schlichtheit“ – wenigstens einmal im Jahr lesen. Diese indes war nicht voraussetzungslos, denn sie bezieht viele Elemente aus der älteren bukolischen Lyrik des hellenistischen Dichters Theokrit.

Freilich blieb es nicht bei der literarischen Rezeption, die im byzantinischen Sprachraum ohnehin ungebrochen blieb, solange die heidnische Lektüre von der Kirche nicht verteufelt werden konnte: Bildende Kunst und Musik nahmen sich bald des rührenden, wenn auch das Hirtenleben idealistisch überhöhenden Stoffs und seiner Figuren an. Auch wenn Joseph Bodin de Boismortier mit seiner dreiaktigen Pastorale aus dem Jahr 1747 nicht der erste Komponist war, der sich dem Roman widmete, so passt der um empfindsame Züge bereicherte spätbarocke Gestus seiner Satzweise doch sehr gut zu der Schilderung des (im übrigen einander völlig gleichgestellten) verliebten Paars Daphnis et Chloë. Dreißig Jahre später betonte Jean-Jacques Rousseau mit seiner eher anmutigen Opernversion, die aber ein Torso blieb, den heroischen Aspekt der Geschichte.

Bekannter noch als Jacques Offenbachs 1860 uraufgeführte Operette in einem Akt zum Sujet ist Maurice Ravels Nachschöpfung durch ein 1912 geschaffenes Ballett, das jenes von Claude Debussy in der Musik initiierte Interesse der impressionistischen Kunstästhetik (man denke auch an Maler wie Arnold Böcklin) an der Antike aufgriff. John Neumeier in Hamburg und Jean-Christophe Maillot schufen mehrere Dezennien später eigenwillige Choreographien zur Ballettmusik.
Literatur u.a.
Ute Mittelberg: Daphnis et Chloé von Jacques Offenbach: Ein Beitrag zur Libretto-Forschung im 19. Jahrhundert (Beiträge zur Offenbach-Forschung). Köln 2002.
Stéphan Perreau: Joseph Bodin de Boismortier 1689 – 1755. Un musicien lorrain-catalan à la Cour des Lumières. Montpellier 2001. S. 153 – 157.