Brücken und Identitäten

Wissenschaftlerinnen der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien aus verschiedenen Sonderfachgebieten und zwei männliche Teamkollegen führten bis 2018 die ausgedehnte Ringvorlesung „Transkulturalität_mdw“ durch. Sie resultierte in dem Sammelband Transkulturelle Erkundungen. Wissenschaftlich-künstlerische Perspektiven, der vergangenen November im Haus Böhlau erschien.

Eine Ringvorlesung an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst bietet auch fachliche Grundlagen für weitere Forschungsvorhaben (ISBN13: 978-3-20520517-3, Wien u.a. 2018).

Hier werden sowohl spezifisch österreichische Hintergründe der nicht zuletzt mit dem Schwerpunkt Gender einhergehenden aktuellen Forschungsausrichtung geklärt, es werden auch empirisch basierte Theorien einzelner Projekte mit internationalem Background vorgestellt; zu jedem der elaborierten Vorlesungsbeiträge ist eine ausführliche Literaturliste beigefügt, die Interessierten und Musikwissenschaftlern von überall als bibliographischer Fundus reichliches Material bietet. Beachtenswert ist an der sich über vier Jahre erstreckenden Vortragsreihe unter der Ägide der Ethnomusikologin Ursula Hermetek, der Kultur- und Sozialanthropologin Daliah Hindler, der Germanistin und Kunsthistorikerin Therese Kaufmann sowie weiterer Verantwortlicher außerdem, dass die verhandelte Musik inklusive ihrer Präsentation selbst ständig mit der Forschung einherging. „Erkundungen“ ist demnach auch der passend gewählte Terminus für ein Hybridprojekt solcher Art. Die Themen reichen von Cultural flow über ein jüdisches Konzept von Transkulturalität bis zum Umgang mit Alterität in Musikrezeption und -produktion.

Ein großer europäischer Opernkomponist (‚Halka‘, ‚Das Gespensterschloss‘) wird von Rüdiger Ritter ins zentrale Licht gerückt – erstmals in einer deutschsprachigen Veröffentlichung: Stanisław Moniuszko, „Der Tröster der Nation“ (ISBN 13: 978-3-44711109-6, Wiesbaden 2019).

Von zentraler Bedeutung für die gefühlte Beständigkeit einer weiterhin eigenständigen polnischen Kultur in Zeiten der Teilung wurde Stanisław Moniuszko (1819 – 1872), dessen Wurzeln zweifellos in der europäischen Frühromantik liegen. Ganz zu Recht nennt ihn Rüdiger Ritter daher in der überhaupt ersten deutschsprachigen (Werk-)Monographie über den späteren Warschauer Operndirektor Der Tröster der Nation; der Band kommt Ende Januar 2019 beim Wiesbadener Verlag Harrassowitz heraus. Sein Autor ist Projektkoordinator am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin und trug bereits mit den Studien Wem gehört Musik? und mit Vorort von New York? zu Themen des transnationalen Kulturtransfers einmal zwischen Warschau und Wilna, im anderen Fall zwischen Bremerhaven und den USA bei.

Experimentelles Arbeiten am Musiktheater – im Transformationsprozess: Französische und deutsche Verhältnisse erfordern eine Lösung von kulturpolitischer Seite – mit europäischer Tragweite (ISBN 13: 978-3-83764632-0 Dorothea Lübbe: Europera, Bielefeld 5/2019).

Perspektiven auf künstlerische Innovation und Kulturpolitik eröffnet die auf den griffigen Titel Europera gebrachte Untersuchung über „zeitgenössisches Musiktheater in Deutschland und Frankreich“ der Regisseurin und Kulturwissenschaftlerin Dorothea Lübbe, mit deren Erscheinen beim Transcript Verlag Anfang Mai zu rechnen ist. Lübbe arbeitete als freie Regisseurin außer in Hildesheim und an der Berliner Hochschule Hanns Eisler auch schon an der Libanesischen Universität Beirut. Als Expertin in beiden Kultursprachen, Französisch wie Deutsch, sucht sie mit ihrer Studie auf unumgängliche, grenzübergreifende kulturpolitische Reformen für das zeitgenössische Musiktheater in Deutschland wie Frankreich aufmerksam zu machen; nur so kann in Zukunft experimentelles Arbeiten (in europäischem Format) fortgesetzt werden; dabei wird der Fokus auch auf konkrete aktuelle Projekte innerhalb eines im vollen Gang befindlichen Transformationsprozesses gerichtet.

 


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