Sergej Rachmaninoffs Bonmot, im Programmheft des Theaters Erfurt von Ruth Hardt zitiert, Musik sollte „der Ausdruck der komplexen Persönlichkeit eines Komponisten“ und kein Ergebis theoretischer Konzeption sein, fand im offiziellen Antrittskonzert von Generalmusikdirektor Myron Michailidis an diesem Donnerstag- und Freitagabend lebhafte Bestätigung. Gleich einem Zauberer leitete der neue Chefdirigent und mehrfache Preisträger durch die nicht nur technisch höchst anspruchsvolle Partitur von Rachmaninoffs 2. Symphonie e-Moll.

Ganz im Sinne des Komponisten ging es ihm darum, die einzelnen Schönheiten der flüchtig wechselnden Passagen insbesondere im 1. Satz Largo – Allegro moderato und im 3. Adagio-Satz hervorzuheben und auszuleuchten, was dem Orchester in berückender Weise gelang. Der motivisch-thematische Zusammenhang ist beim bloßen Anhören gerade dieser Symphonieteile nicht leicht mitzuvollziehen – und soll es wohl auch nicht sein, denn ihr buntes Kaleidoskop arbeitet mit Melodiefragmenten ebenso wie mit vielfältigen harmonischen Ideen.

Die Klarinettenkantilene mit ihren langsamen Diminuendi im Adagio wurde von Jens Kaiser perfekt ausgekostet, mit ebensolcher Innigkeit strahlten die Solo-Oboe und die teils unisono geführten Fagott- und Klarinettenstimmen im Ensemble hervor. Beim Einsatz des vollen romantischen Symphonieorchesters bewährte sich einmal mehr die Akustik des hinteren Bühnenraums mit ihrer trichterförmigen Ausrichtung, wobei die Streicherstimmen dank der Position im offenen Vordergrund der Bühne weder verdeckt werden noch dominieren. Wiederum wurden die Musikerinnen und Musiker des Philharmonischen Orchesters ihrer hervorstechenden Eigenschaft eines samtigen und dennoch satten Klangteppichs gerecht.

Eine besondere Überraschung, ebenso für die zahlreichen auswärtigen Besucher, bot der Auftritt des in den 1980er Jahren zu Weltruhm gelangten Pianisten Cyprien Katsaris mit Dmitri Schostakowitschs 2. Klavierkonzert Nr. 2 F-Dur vor der Pause. Sein glas- und glockenklares, scheinbar müheloses Spiel korrespondierte in glücklciher Weise mit dem Philharmonischen Orchester und der detailkonzentrierten Leitung von Myron Michailidis, mediterranes zypriotisch-südfranzösisches Temperament kam vor allem im 3. Satz Allegro zum Ausbruch, dessen gleichsam spanisch wie griechisch gefärbte tänzerische Abschnitte, für Schostakowitschs Schaffen eher ungewöhnlich, in verspielter Fröhlichkeit die Zuhörer des komplett ausverkauften Saals für sich gewannen. Als Zugabe des Meisters am Flügel war, passend zum kalendarischen Jahreszeitenwechsel, Tschaikowskys Herbstlied zu hören.

Michail Glinkas Oper Ruslan und Ludmilla, uraufgeführt 1842, fiel seit ihren ersten Aufführungen in St. Petersburg durch die verwirrend bunte Sagen- und Märchenwelt auf, in der Puschkins Geschichte des im Mittelpunkt stehenden Paars situiert ist; sie erinnert darin deutlich an das Jahrhunderte ältere Schauspiel Orlando furioso von Ludovico Ariosto. Die knappe Ouvertüre, die auf dem Programm stand, transportiert neben aller Ausgelassenheit aber auch „russische Seele“, soweit diese in der frühen, von klassischen Mustern bestimmten romantischen Phase zum Tragen kommen konnte, Myron Michailidis dirigierte sie zu Beginn des Konzertabends am Freitag mit zeitgemäßem Affekt und Witz.