Jean-Luc Thellin, ehemaliger Student von Anne Froidebise am Königlichen Belgischen Konservatorium Brüssel, spielt in seinen Orgelkonzerten, die ihn des Öfteren weit(er) von Frankreich wegführen, gerne Improvisationen, deren Tradition im Falle dieses Instruments in den Melodien des Kirchenchorals begründet ist.

Für Touristen sowie andere Neugierige und die Seelen der Stadtgemeinden war es bei den nahezu tropischen Temperaturen am Mittwochabend um 20 Uhr in der Predigerkirche Erfurt daher genau der richtige Termin: Bei den phantasiereichen und gewagt kühnen Architekturen der aufgeführten Werke in kühler Umgebung konnten die Besucher beim Zuhören den Geist frei in das hohe und lange Kirchenschiff schweifen lassen. Ausgerechnet eines der technisch schwierigsten Klavierwerke der Romantik, nämlich Liszts namhafte h-Moll-Sonate, deren Analyse auch nicht in einer guten Stunde zu schaffen ist, hat Thellin auf seiner Konzertreise als Orgeltranskription mit im Gepäck.

Diese Sonate aus den Jahren 1849 bis 1853, die durch ihren komplexen und eindringlichen Charakter sehr gut auch in einen Kirchenraum passt, hatte ihr Urheber Robert Schumann gewidmet. Liszts Werk wurde an diesem Abend auch durch die von einem Lied Maria Pawlownas inspirierte Consolation Nr. 4 Quasi Adagio in Des-Dur repräsentiert, deren Duktus (passenderweise) von einer religiösen Stimmung erfüllt scheint. Thellins eigene Improvisation bildete den Schluss(kontra)punkt des Konzerts, das von J.S. Bachs Toccata und Fuge d-Moll (Dorisch) BWV 538 zu Beginn eingeleitet worden war. Der Organist selbst kommt übrigens aus dem Ort Vincence nahe am malerischen Tintury im burgundischen Departement Nièvre, dessen Wald als Naturstätte bekannt ist.
Höreindrücke: Jean-Luc Thellin an der Orgel